Behindertenpolitik in Deutschland: Eine Liste des Versagens

(Zuletzt aktualisiert am 8. Februar 2016)

Die Behindertenpolitik in Deutschland bewegt sich irgendwo zwischen Trauerspiel und zynischer Frechheit. Der diskriminierende Wolf kommt im Schafspelz der Inklusion daher. Die Hauptverantwortung hierfür trägt die Bundesregierung. Ein #Aufschrei fehlt oder geht im medialen Flüchtlings-Pegida-Terrorismus-AfD-Kriegs-Getöse unter. Eine Liste des Versagens:

  1. Die Bundesregierung blockiert eine Antidiskriminierungsrichtlinie der EU. Während sich alle anderen EU-Staaten einig sind, hat es das große, reiche Deutschland nicht nötig, seine rund 10 Mio. Bürgerinnen und Bürger mit Behinderung vor Diskriminierung zu schützen.
  2. Auch auf das Menschenrecht auf Bildung pfeift die Bundesregierung. Sie blockiert die Ratifizierung des Marrakesch-Vertrags, der blinden und sehbehinderten Menschen den Zugang zur Literatur erleichtern sollte.
  3. Offen verstößt Deutschland gegen EU-Recht, indem Asylbewerber hierzulande keinen Rechtsanspruch haben, in Einrichtungen der Behindertenhilfe aufgenommen zu werden. Dabei sind dies häufig die einzigen Stellen, die auf die besonders prekäre Lage von Flüchtlingen mit Behinderung eingehen.
  4. Mit großem Trara lässt sich – insbesondere der sozialdemokratische Teil der Bundesregierung – für die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns feiern. Der Schönheitsfehler: Der Mindestlohn gilt nicht für Menschen, die in Behindertenwerkstätten arbeiten.
  5. Immer noch gibt es in unserem demokratischen Land, Gesetze, die Menschen mit Behinderung das Wahlrecht entziehen.
  6. Vergewaltigungen behinderter Frauen werden, zumindest noch, weniger hart bestraft als Vergewaltigungen nichtbehinderter.
  7. Taubblinde Menschen warten seit Jahren auf mehr Teilhabe. Ein erster Schritt sollte die formale Anerkennung von Taubblindheit als eigenständige Behinderung sein. Ausdrücken sollte sich dies durch die Einführung eines Merkzeichens im Schwerbehindertenausweis. Doch die Umsetzung wird bis heute verschleppt.
  8. Während sich bei der Politik für taubblinde Menschen nichts bewegt, scheint es so, dass es bei Leistungen für blinde Sozialhilfeempfänger sogar einen Schritt zurückgeht. Die Unterstützung für diesen Personenkreis, die Blindenhilfe, soll zu einer Leistung zweiter Klasse werden, wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht.
  9. Sie schaut auch tatenlos zu, während die Lebensverhältnisse blinder und hochgradig sehbehinderter Menschen in Deutschland immer stärker auseinanderklaffen. Dabei verpflichtet das Grundgesetz sie eigentlich dazu, für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen. Statt dies mit einer bundeseinheitlichen gerechten Blindengeldlösung zu tun, nimmt sie die Negativspirale beim Blindengeld in den Bundesländern einfach hin.
  10. Die Bundesrepublik hat die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet. Im vergangenen Jahr hat ein Fachausschuss der Vereinten Nationen den Stand der Umsetzung bewertet und eine Vielzahl von Lücken entdeckt. Der Ausschuss nennt u.A. das Verbot von Sterilisationen behinderter Menschen ohne deren freie Einwilligung, die Schaffung eines inklusiven Notrufs und Katastrophenschutzes und den Rückbau des segregierenden Schulwesens.
  11. Inzwischen wendet Deutschland sich sogar ganz offen gegen das Verständnis der UNO von inklusiver Beschulung. In einer Stellungnahme verteidigen Bundesregierung und Bundesländer das Sonderschulsystem. Statt vom unveräußerlichen Recht behinderter Menschen auf Teilhabe zu sprechen, faselt Deutschland irgendwas von einem „natürlichen Recht der Eltern, über Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu entscheiden“.
  12. Und was passiert, wenn die Bundesregierung dann doch mal ein im Prinzip vernünftiges Förderprogramm für Barrierefreiheit in Kommunen auflegt? Dann rufen eben diese Städte und Gemeinden – trotz klammer Kassen – das Geld beim Bund nicht ab.
  13. In diesem Monat präsentierte Sozialministerin Andrea Nahles das neue Bundesgleichstellungsgesetz. Das bringt zwar einige wenige Verbesserungen, klammert aber den ganzen Bereich von Benachteiligungen durch die Privatwirtschaft aus. Es ist so halbherzig, dass selbst die Beauftragte der Bundesregierung für Menschen mit Behinderungen nicht anders konnte, als das Gesetz öffentlich zu kritisieren.
  14. Und was ist mit dem größten behinderungspolitischen Projekt dieser Legislaturperiode, dem im Koalitionsvertrag angekündigten Bundesteilhabegesetz? Zunächst einmal brach die Bundesregierung kurzerhand ihren eigenen Koalitionsvertrag, in dem sie die finanzielle Entlastung der Kommunen (rund fünf Mrd. EURO) unvermittelt von der Agenda strich und damit einen großen Wurf von Vornherein beinahe unmöglich machte.
  15. Seitdem wird verzögert. Ein ausführlicher Beteiligungsprozess von Menschen mit Behinderung erweist sich zunehmend als Augenwischerei.
  16. Die Menschen mit Behinderung und ihre Organisationen müssen dieser Tage feststellen, dass vom Paradigmen-Wechsel in der Behindertenpolitik wenig bis nichts übrig geblieben ist. Vielmehr scheint das Bundesteilhabegesetz – wenn die Vorzeichen stimmen – für viele Betroffene mehr Nachteile als Vorteile zu bringen. Verständlich, dass die Regierung den Gesetzentwurf so spät wie irgend möglich veröffentlicht, um eine gesellschaftliche Debatte möglichst kurz zu halten.

Aber muss die Regierung überhaupt einen #Aufschrei behinderter Menschen fürchten? Wann berichten denn große Radio- und Fernsehsender, Leitmedien wie Spiegel oder SZ über Deutschlands skandalöse Behindertenpolitik, wann erheben Meinungsführer in Blogs und sozialen Medien ihre Stimme gegen eine Bundesregierung, die bremst und blockiert statt sich für Inklusion und Barrierefreiheit einzusetzen? Wann gehen die Millionen Menschen mit Behinderung – immerhin 11% der Bevölkerung – auf die Straße? Wann werden wir sichtbar? Ich denke, es wird allerhöchste Zeit!

Autor: Heiko Kunert

Heiko Kunert (47) ist Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg und selbst blind. Er ist Vorsitzender der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen und der Erich-Quenzel-Stiftung, zudem in den Vorständen der Stiftung Centralbibliothek für Blinde und der Norddeutschen Blindenhörbücherei, sowie Mitglied im Verwaltungsrat der Verbraucherzentrale Hamburg. Er ist Schreiber und Speaker und engagiert sich für Inklusion und Barrierefreiheit.

14 Kommentare zu „Behindertenpolitik in Deutschland: Eine Liste des Versagens“

  1. Also ich bin geschockt welche Infos hier uns übermittelt werden wie Behinderte Bürger in unseren Land „behandelt“ werden. Wusste vieles auch nicht was ich hier gelesen habe.

    Ich denke mal der Nationalsozialistische Geist, die Behinderten Rassenlehre dieser alten Zeit steckt noch in vielen Köpfen! Ist daher auch nicht verwunderlich das von den ca. 1000 Abtreibungen die Täglich in Deutschland vorgenommen werden 900 „wahrscheinlich Behindert auf die Welt kommen würden“ -oft sind sie dann gar nicht Behindert – trotzdem üben Ärzte auf Mütter solch ein Druck aus, das die meisten Frauen mit einem eventuellen Behinderten Menschen ihr ungeborenes Kind Töten lassen.

    Große alte Nazigrößen hätten heute ihre helle Freude wie man mit Behinderten Menschen umgeht. Leider Typisch Deutsch! Andere Nationen gehen besser mit Eingeschränkten (korrekte UN Norm Bezeichnung) Menschen um!

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  2. Das äußert sich auf verschiedensten Ebenen. 70% bis 80% der blinden menschen die arbeitsfähig wären, arbeiten nicht. und die, die arbeiten, sind oft in Jobs die schlecht bezahlt oder völlig unter ihrer Qualifikation sind. ich kenne einen blinden juristen, der im callcenter arbeitet, usw. ich selbst bin sozialpädagogin, vom studium her. arbeiten durfte ich leider keinen handschlag als eine solche. der kampf um arbeit und anerkennung trieb mich in eine depression, die meine verrentung unabdingbar machte. jetzt, wo die durch ist, kann ich mich stück für stück erholen, und mein leben der Kunst widmen. ja, behinderte menschen gehen auch auf die bühne. ihr werdet von mir ohlh nur in der kleinkunst, aber egal. icagge zeigen.

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  3. Behinderung ist ein Sammelbegriff der Moderne und hängt stark mit der Standardisierung von Arbeitsprozessen ab Beginn der Industrialisierung zusammen. Dieser Sammelbegriff verhindert heute meiner Ansicht nach eine effektive Politisierung. Zum einen weil er isolierend wirkt durch die um ihn aufgebauten Strukturen und zum anderen weil er überladen ist und Menschen mit unterschiedlichsten Bedarfen zusammenfasst, die nicht zwangsläufig die gleiche Zielvorstellung haben. Ein Protest wie er 1980 in Frankfurt geschah ist eine Seltenheit.

    Wir haben inzwischen ein soziales Modell von Behinderung, besser: das kulturelle Modell von Behinderung. aber es finden weiterhin Vereinzelung und Schicksalsmythen statt.

    Außerdem kann nicht jede_r auf die Straße um Präsenz zu zeigen.

    Ich glaube kaum, dass da was Großes passiert. Wenn schon etwas wie die Pride Parade kaum Aufmerksamkeit generiert.

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  4. Wenn ich in die Zukunft schaue,bekomme ich als Mutter eines Kindes mit Handicap große Angst vor der Zukunft. Er macht z.zt. Ein Praktikum im Wertkreis und ist sich sicher ,daß er da auf keinen Fall später einmal arbeiten möchte. Es gibt viel zu wenig Betriebe,die sich auf Menschen mit ihren Eigenheiten einlassen und versuchen ihnen etwas zu vermitteln,sie zu integrieren und ihnen den Spaß an Arbeit näher zu bringen. Wir sind eine so geldorintierte Gesellschaft, wo niemand einen Platz hat der nicht 150% erbringen kann. Wenn ich in die Zukunft schaue bekomme ich Angst um die Existenz meines Kindes.Wie soll es denn mit so einem geringen Einkommen einmal überleben? Darf man als „Behinderter“(ich mag schon den Ausdruck nicht) keine Lebensziele und Wünsche haben? Abdegradiert wie diese Mitmenschen, die sich auf die Brust geschrieben haben nichts in ihrem Leben zu tun,sondern vom Staat Bezug geschenkt zu erhalten,möchten andere ihren Lebensunterhalt selber verdienen…Wo sind denn hier die gesetzlichen Mindestlöhne? Mein Kind wird sich allein niemals ernähren können und wenn ,dann an der Armutsgrenze. Es ist an der Zeit das es Gleichheit gibt, es ist an der Zeit einmal darüber nachzudenken,das sich niemand sein Schicksal diesbezüglich aussuchen kann. LIEBE POLITIKER,redet nicht andauernd über Inklusion,lebt sie endlich und zwar zur Zufriedenheit unserer Kinder ,die eine Chance in diesem Staat verdient haben. DEUTSCHLAND SOLLTE ENDLICH MAL EINE VORREITERROLLE ZU GUNSTEN DIESER BÜRGER VORLEBEN.

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  5. Bravo! Bravo! Bravo! Endlich mal klare und treffende Worte zur Situation der Behinderten in Deutschland. Zu erwähnen wäre noch, dass die Behinderten, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, keinen müden Euro für ihre Altersvorsorge zurücklegen können. Jeder Betrag über 2600,- € auf dem Konto eines „unterstützten“ Behinderten wird von den Ämtern einkassiert und mit den Leistungen „verrechnet“. Zynischer geht es nicht mehr.
    Sehr guter Artikel, weil detailliert und faktengetreu. Weiter so!

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  6. Blinde und sehbehinderte Menschen haben es wirklich schwieriger als andere Behinderte!

    Es sind auch nur 5 % davon beschäftigt.

    Ich wurde so oft aufgrund meiner Sehbehinderung diskriminiert. Keine Einstellung, dann nur befristet und keine Option auf Verlängerung.
    Das hat mich einfach krank gemacht.

    Und nun auch Landschaftsverband Rheinland, stoppt mir auch noch nsch 10 Jahren unbegründet meine Hilfe für Sehbehinderte!

    Schlimmer kann es wohl nicht werden.

    Wie findet man sein Recht, frage ich mich.

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  7. In den letzten Jahren hat der Landschaftsverband Rheinland sich darauf verlegt, vom Schreibtisch aus zu beurteilen, was sie einem behinderten Menschen an Teilhaberecht zugestehen, Sie streichen willkürlich Gelder, inder stillen Hoffnung, dass die Geschröpften sich nicht wehren können. Als Mutter eines behinderten Erwachsenen und gleichzeitig seiner gesetzlichen Betreuerin kann ich davon einige Lieder singen. Die will nur niemand hören. Und wenn ich einem Bescheid, den “ sie in die Welt geschickt haben“ (Zitat Sachbearbeiterin), widerspreche , wundern sie sich. Scxhieben aber ab da zwischen den Abteilungen hin und her,, zögern Entscheidungen heraus, etc. Unfassbar demütigend, was denen mitunter so „rausrutscht“. Danke für deinen Artikel.

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  8. Lieber Heiko,
    Sie haben die Liste perfekt zusammengefasst!

    Es ist schockierend aber so sieht es in 2016 in Deutschland noch immer aus!
    Ich habe mich auf die Kommunikation mit Gehörlosen und Schwerhörigen spezialisiert und verstehe nicht, wieso Taubblinde Menschen seit Jahren auf die Einführung eines Merkzeichens im Schwerbehindertenausweis warten??? Ohne Kennzeichen keine Möglichkeit auf Assistenz, Kostenerstattung und und und…

    Ich danke Ihnen für Ihre Zusammenfassung, hoffe, dass viele lesen werden. Ich teile es jedenfalls in meinen Foren.
    Beste Grüße
    Judit Nothdurft

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  9. Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, das sich diesbezüglich etwas wirkliches und vor allem richtiges ändern muss; zum Wohle der dortigen Beschäftigten wohlgemerkt. Das ist doch wohl klar. Leider denken höchstwahrscheinlich in erster Instanz nicht alle Politiker dergestalt – allen voran diejenigen der sogenannten Parteien die das C in ihrem Parteinamen führen bzw. halten und es immer wieder missbrauchen – doch gibt es etwas, was in gängigen Diskussionen im direkten Bezug zu den Werkstätten nie erwähnt wird, und zwar aus einem recht simplen Grund: das es die Werkstatt selber sind; also das inhärente System dessen ist, was eine Besserung blockiert. Und warum? Ganz einfach: Die Werkstatt-Betreiber profitieren in großem Ausmaß – FINANZIELL – von all den behinderten Menschen, die ein Handicap haben. (Wobei es meines Erachtens KEIN Handycap darstellt, sondern sollte man eine Lösung finden um zu schauen, was dieser jemand KANN; und nicht immerzu schaut oder drauf achtet was Er/Sie NICHT kann) Man vergegenwärtige sich, das die Werkstätten den „normativen“ Auftrag haben, die Menschen wieder zurück auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln. Hilfen gibt es dafür zur Genüge, siehe Integrationsämter oder evtl. die vor Ort ansässigen Sozialarbeiter, aber alles verpufft zum größten Teil; oder geht unter bzw. wird nicht richtig ernst genommen. Darin sind die Werkstätten wirkliche Weltmeister

    Traurigerweise sollte man meinen. Wir dürfen bezüglich des deutschen Wekstattsystems vor allem eines nicht müde werden, zu erwähnen und zwar: das die dortigen Beschäftigten einen nur dies nur Arbeitnehmer-ähnlichen Wesens-Status anerkannt bekommen haben. Unfassbar, oder? Hier liegt zum Beispiel ein meines Erachtens Verstoß gegen geltendes Menschenrecht vor. Und das Sie, die Beschäftigten bei uns in Deutschland einen „beschützenden“ Status besitzen, ist kein Titel auf den weder das Land Deutschland noch die Werkstatt-Leiter selber stolz sein sollten; sondern wesentlich einer, welcher bekümmern müsste. Denn hiermit wird impliziert bzw. krass unterstellt, behinderte Menschen gebräuchten ständigen Schutz und würden alleine zu nichts in der Lage fähig sein. Und genau solch ein Antiquiertes Denken spukt in den allermeisten Köpfen der viel zu gut bezahlten Gruppenleiter vor. Das übrigens wäre ein weiterer Punkt, den man verurteilen müsste. Und hierbei führe ich ins Feld, das die Betreiber des Ganzen massiv von all den Beschäftigten profitieren und zwar in finanzieller Hinsicht. Wie gehabt ist es Peinlich mit zu erleben wie Deutschland hier gegen geltendes Recht verstößt und allem Anschien nach stolz drauf – zu sein scheint. Das System selber wird sich letzten Endes nicht verändern, es wird höchstens intensiviert. Und so behaupte ich frech, das es entsprechend gewollt bzw. forciert wird. Denn die Beschäftigten sind das Kapital der Werkstatt. Für mich spielt es keine große Rolle, wenn ich höre, das man dort nicht Akkord arbeiten muss, viele Pausen zur Verfügung hat oder man bestimmte Arbeiten verweigern kann und auf seinen Gesundheitszustand verweist. Sich also in einen sogenannten Ruheraum legen kann. Ebenso ist es unerheblich, ob man 407€ und 25 Cent in die Rentenversicherung eingezahlt bekommt und nach 20 Jahren Anspruch auf eine EU-Rente hat. (Diese beläuft sich übrigens auf über 800€; weiß dies von zwei Freunden die eine solche beziehen) Genauso unwichtig erscheint es in diesem (konkreten) Zusammenhang, wenn man sogleich erfährt, das über 80 % der Beschäftigten bereits eine Rente- oder eine Erwerbsminderungsrente erhalten.

    Die Werkstätten für behinderte Menschen erhalten von dem zuständigen Rehabilitationsträger zur Auszahlung an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen zusätzlich zu den Vergütungen nach § 41 Abs. 3 ein Arbeitsförderungsgeld. Damit wird überdeutlich, was ein mieses Spiel mit den Beschäftigten eigentlich und wirklich betrieben wird. Denn das Arbeitsförderungsgeld liegt bei 26€ plus dem Grundgehalt von 75€ ((§ 138 Abs. 2 SGB IX), was übrigens der Staat bezahlt – und somit wäre man bei 101€ angekommen. Und Obacht: Das bezahlt ersteinmal der Staat! In den ersten zwei Jahren, im sgt. Eingangsbereich, genauer gesagt dem – BBB, also Berufsbildungsbreich, wo niemand ernsthaft ausgebildet wird – bezahlt die Werkstat keinen einzigen CENT selber, unglaublich oder? Es ist so unfassbar was auf deutschem Boden mit behinderten Menschen betrieben wird. Das aber würde gleichzeitig ebenso bedeuten und beinhalten, das ihr Sohn richtigerweise gesagt nur 10€ im Monat von der Werkstatt (selber) erhält. An ihrer Stelle würde ich mal mit jemanden dort Zuständigen sprechen; also die Situation erörtern und falls es nichts einbringt, beim Sozialamt Beschwerde einlegen oder dem Rentenversicherungsträger davon etwas mitteilen. Denn umso mehr von den miesen Praktiken Bescheid wissen und davon etwas die breite Öffentlichkeit erreicht, umso besser für all die Beschäftigten, die klein gehalten werden. Ich behaupte, das dort in den Werkstätten nicht nur die lächerliche Scharade mit… – „Lieber den Spatz in der Hand“ – erfolgreich initiiert worden ist, sondern es jedenfalls Diskrepanzen gibt, die kaum zu toppen sind. Freilich wie ebenso zugegeben: das ist nicht der erste Arbeitsmarkt, aber empfinde ich vieles dort – als gewissenslose Ausbeutung (!) Die einzigen die richtig von all dem Ganzen profitieren sind die Angestellten. Die bekommen ihr Gehalt und sind entsprechend abgesichert.

    Die Angestellten (einschließlich Geschäftsführer/in) der WfMmB – die meist hoch motiviert und sozial engagiert sind – haben selbstverständlich Arbeitsverträge, können sich gewerkschaftlich organisieren und erhalten ein festes Gehalt. Letzteres wird aus den „Tagessätzen“ finanziert, die der Werkstatt „pro Beschäftigten“ zufließen. Es ist also unabhängig von der Produktivität, aber sehr abhängig von der Anzahl der „Beschäftigten“.
    Ich dagegen behaupte auch, das es gerade die sogenannten Trä;ger und Werkstattbetreiber sind, die vieles verhindern. Dieser Unsinn, welcher in den Werkstätten betrieben wird, ist ja an-und-für sich für alle diejenigen, die eine Erwerbminderungsrente oder Rente erhalten, ganz in Ordnung, so haben jene viele Pausen, gebrauchen keine 40 Stunden die Woche arbeiten, und verdienen manchmal – das ist von Werkstatt zu Werkstatt verschieden bis zu 400€ – doch dienen die behinderten Menschen den Mitarbeitern als Kapital. Wenn ich mir mal nebenbei überlege, was die Werkstatt für einen einzigen behinderten Menschen als Förderungsgeld bekommt, dann sollte man aufhorchen und sich zu Recht fragen, wie solcher Wahnsinn sein kann. Vor allem sei hierbei des weiteren gefragt, wo das alles verbleibt? Es sollen von den 6 Mrd. Euro (€) die in den über 700 Werkstätten in Deutschland umgesetzt werden lediglich 0,6 Mrd. Euro (€) an die Beschäftigten ausgezahlt werden. Offengelegt wo das alles hingeht, was damit gemacht- oder aber umgesetzt wird, wird aber rein gar nichts.

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  10. Danke Heiko.
    Auch auf die klaren Verweise, wo die deutsche Bundesregierung auf EU-Ebene Schaden anrichtet. Da ich in diesem Kontext (und zu euren Themen) arbeite: Wenn ihr mögt, nehmt Kontakt auf, ich reiche weiter an engagierte Abgeordnete

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