Schleswig-Holsteins Landesregierung aus CDU und FDP will das Blindengeld halbieren. Marc von Kopylow hat für die Lübecker Nachrichten eine 80jährige blinde Frau befragt, wofür sie den finanziellen Nachteilsausgleich benötigt. Dabei wird eines klar: Eine Kürzung bedeutet weniger Selbstständigkeit und weniger Teilhabe am gesellschaftlichen Leben:
Während die Kasse nur normale Lupen finanziert, braucht Wera Zimmermann spezielle Lupen, die sich auch noch schnell verbrauchen. Eine sprechende Körperwaage und sprechenden Uhren, ein Monokular, eine Fernsehlupenbrille und eine Brille mit Kantenfiltergläsern musste Zimmermann komplett selbst bezahlen. Das Bildschirmlesegerät erleichtert der Schwarzenbekerin vieles, doch länger als eine halbe Stunde schafft sie sich nicht durch die wackelig zu lesenden Großbuchstaben von normalen Texten zu hangeln. Oft sind ihr da schon zehn Minuten zu anstrengend. Und Bilder lassen sich nur dort anschauen. Von ihrer Kasse, so erzählt sie, hätte es nur ein Schwarz- Weiß-Gerät gegeben, mit schlechten Einstellmöglichkeiten. Zimmermann musste für bunte Bilder und bessere Bedienung des Gerätes 1000 Euro dazu bezahlen. Regelmäßige Kosten entstehen dadurch, dass Zimmermann eine Hilfe braucht, die sie zum Einkaufen fährt und ihre Wohnung reinigt. Und zweimal im Jahr gönnt sich die alleinstehende Frau für jeweils zehn Tage eine Fahrt in ein Blindenhotel in Timmendorf. Das kostet mit etwas Programm jeweils um die 750 Euro. Für Zimmermann, deren Töchter weit weg wohnen, ist das die Chance, ihre vier Wände zu verlassen und unter Menschen zu kommen, die Verständnis für ihre starke Sehbehinderung haben. Zimmermann weiß, dass immer mehr alte Leute von Blindheit betroffen sind. Sollte die Halbierung des Blindengeldes kommen, verbleiben ihr nur 83 Euro im Monat.
Viele nichtbehinderte Menschen können sich nur schwer vorstellen, wie sehbehinderte und blinde Menschen Ausbildung und Beruf meistern. Dass mit den geeigneten Hilfsmitteln und in einem Klima der Offenheit sogar Topleistungen möglich sind, zeigt folgende Pressemitteilung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung vom 3. September 2010:
Fachangestellter für Medien und Informationsdienste von der IHK ausgezeichnet Peter Hahling, sehbehinderter Auszubildender des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) und der Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte, hat den besten Abschluss als Fachangestellter für Medien und Informationsdienste (FaMI) seines Jahrgangs in Hessen erreicht. Für seine herausragenden Leistungen wurde er gestern Abend von der Industrie und Handelskammer (IHK) Frankfurt am Main ausgezeichnet. Im Rahmen eines Festaktes wurden insgesamt 230 Absolventinnen und Absolventen aller IHK-Ausbildungsberufe des Bezirks Frankfurt, die mit sehr gut bestanden haben, geehrt.
Schon seit 15 Jahren bildet das DIPF Blinde und Sehbehinderte aus und kooperiert dabei eng mit der Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte. Die behinderten Auszubildenden sind bestens integriert und die Bedingungen sind hervorragend, beschreibt Peter Hahling die Grundlage des Erfolgs. Während seiner Lehrzeit profitierte er beispielsweise von Computern mit Spezialsoftware oder verschiedenen Vergrößerungshilfen. Seit 1995 haben am DIPF 18 Blinde oder Sehbehinderte ihre Ausbildung zum FaMI oder ihr Volontariat zum Wissenschaftlichen Dokumentar gemeistert.
2006 erreichte die blinde Auszubildende Ursula Hartmann sogar den besten FaMI-Abschluss in ganz Deutschland. Ob dies Peter Hahling möglicherweise erneut gelungen ist, steht noch nicht fest. Die Ehrung der bundesweit besten Auszubildenden erfolgt im Dezember in Berlin. Zunächst freut sich der FaMI aber erst einmal, dass er direkt im Anschluss an seine Ausbildung vom DIPF übernommen wurde.
In „Perspektiven“ stelle ich lesenswerte Beiträge rund um Augenerkrankungen, Sehbehinderung und Blindheit vor. Viele weitere Linktipps erhalten Sie von mir via Twitter.
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