Romeo und Julia: Ziemlich zotig

Betrogen. Belogen. Seit 200 Jahren hinters Licht geführt. Den deutschen wurde etwas verheimlicht. Die romantischen Sitten- und Stilwächter haben ganze Arbeit geleistet. Sie haben aus Shakespeares „Romeo und Julia“ eine lyrische Liebestragödie voller Herzeleid gemacht, in einer edlen, poetischen Sprache verfasst.

Als ich vor Kurzem eine Bildungslücke schließen wollte und endlich einmal Shakespeares Klassiker las, hatte auch ich einen herzzerreißenden Stoff erwartet. Den bekam ich zwar, aber auch jede Menge zweideutiger Eindeutigkeiten, schenkelklopferische Kalauer und Wortwitze. Da hieß es, um nur ein Beispiel zu nennen:

Nun sitzt er unter einem Zwetschgenbaum

und träumt von seinem liebsten Früchtchen und

von dem, was Mädchen kichernd „Pflaume“ nennen;

Ach, romeo, wär sie ein Vögelbeerbaum doch

und Du ihr Specht und hacktest froh Dein Loch!

Hallo, was ist das denn hier? Da war die Zotigkeit aber gehörig mit dem guten, alten William durchgegangen. In seinem englischen Originaltext hieß es sogar noch klarer:

Now will he sit under a medlar tree

and wish his mistress were that kind of fruit

as maids call medlars when they laugh alone.

O Romeo, that she were, o that she were

an open-Arse and thou a Poperin pear!

In seinem Nachwort erläutert der Übersetzer Frank Günther, dass „medlar“ (Mispestrauch) phonetisch gleichlautend mit „meddler“ (Fummler, Rammler, Vögler) ist, dass die Mispelfrucht wegen ihres Aussehens den Elisabethanern als Synonym für das weibliche Genital galt, dass „open-arse“ nicht nur wörtlich offener Arsch bedeutet, sondern zu Shakespeares Zeit ein Synonym für Möse war, dass die Poperin Pear eine Birnensorte war, die aufgrund ihrer Form an einen erigierten Penis erinnerte und dass hier auch noch das Wortspiel „pop her in“ (= Tu rein) vorhanden ist. Also hatte der große Literat de facto geschrieben: „O wäre sie doch ein offener Arsch/eine offene Möse und Du ein stehender Schwanz“.

Die Deutschen kennen zumeist nur die Übersetzung von August Wilhelm Schlegel, die über Jahrhunderte unser Romeo-und-Julia-Bild geprägt hat. Bei Schlegel lautete die Übersetzung der zitierten Passage übrigens:

Nun sitzt er wohl an einen Baum gelehnt

und wünscht, sein Liebchen wär die reife Frucht

und fiel ihm in den Schoß…

Will sagen: Die Lektüre dieser Ausgabe lohnt sich.

Demonstration in Kiel: Über 3000 Menschen gegen Blindengeld-Kürzung

Über 3000 Menschen demonstrierten am Samstag in Kiel gegen die geplante Halbierung des Landesblindengeldes. Ich erlebte eine kämpferische Demonstration, Wut gegen Schleswig-Holsteins unsoziale Politik und Angst vor Ausgrenzung infolge der schwarz-gelben Kürzungen. Inka Senkbeil fasst in der aktuellen Ausgabe von DBSV-Direkt alle Infos rund um den Protest zusammen:

seit Monaten zeigt der Blinden- und Sehbehindertenverein Schleswig-Holstein (BSVSH) Flagge, veranstaltet Mahnwachen, sucht das Gespräch mit den Regierungsverantwortlichen und wirbt hartnäckig für den Erhalt des Landesblindengeldes in der bisherigen Höhe. Am vergangenen Sonnabend erreichte der Blindengeldkampf nun in Kiel seinen Höhepunkt. Lautstark machten blinde und sehbehinderte Menschen aus ganz Deutschland beim Demonstrationszug und der Kundgebung auf dem Rathausplatz ihrer Enttäuschung und Empörung Luft, protestierten gegen die drastischen Pläne zur Halbierung des Blindengeldes von bisher 400 auf 200 Euro.

Rund 3.000 betroffene Menschen, Freunde und Unterstützer trotzten dem eisigen Herbstwind und der politischen Kälte an der Kieler Förde. Die DBSV-Familie zeigte wie bei vorangegangenen Blindengeldkämpfen in Bremen, Hannover, Erfurt oder Schwerin Stärke und Zusammenhalt, hatte Mitglieder aller DBSV-Landesvereine für den gemeinsamen Kampf im Norden mobilisiert. Ausgestattet mit gelb-schwarzen Schals, Kappen, T-Shirts, Transparenten und tausenden klappernder Langstöcke, machten sie auf dem Weg vom Hauptbahnhof bis zum Rathausplatz darauf aufmerksam, wie unverzichtbar der Nachteilsausgleich für sie ist: „Hände weg vom Blindengeld“, „Wer Blinde quält, wird abgewählt“, „Die Hälfte weg, das ist fatal, ungerecht und unsozial“ oder „FDP und CDU, lasst das Blindengeld in Ruh“ – kreative Parolen, unterstützt von Rasseln, Pfeifen, Trommeln und Vuvuzelas, begleiteten den Zug der Blindengeldkämpfer.

Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und Sozialminister Dr. Heiner Garg (FDP) scheuten die Begegnung mit den Betroffenen in Kiel. BSVSH-Vorsitzende Annegret Walter, die den Auftakt der Kundgebung gestaltete, richtete dennoch klare Worte an die beiden wichtigsten Verantwortungsträger der Kürzungspläne. „Wir waren in den letzten Jahren gesprächsbereit und fair, haben einigen Kürzungen zugestimmt, aber was in diesem Jahr mit uns gemacht wird, wollen wir nicht mehr hinnehmen. Denn Kürzungen um fünfzig Prozent – das bedeutet Ausgrenzung und Einsamkeit.“ Blinde und sehbehinderte Menschen seien nicht, wie behauptet, partnerschaftlich in Planungen und Gespräche einbezogen worden. Stattdessen habe man schnellstmöglich unsoziale Fakten schaffen wollen.

DBSV-Präsidentin Renate Reymann erinnerte die Regierenden eindringlich an ihre Aufgabe: „Es muss endlich Schluss damit sein, dass blinde Menschen durch Deutschland ziehen, um die Landesregierungen an ihre soziale Verantwortung zu erinnern. Die Politik soll Armut bekämpfen, statt mit Kürzungsplänen blinde Menschen in die Armutsfalle zu treiben.“ Uwe Boysen, der Vorsitzende des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS), forderte die Politiker sogar zum Rückzug auf: „Projekte wie die HSH-Nordbank werden für unverzichtbar erklärt, Steuersenkungen propagiert, aber behinderte Menschen getrost um die Hälfte ihres Nachteilsausgleichs gebracht. Wer dieses Sparkonzept für alternativlos hält, der hat es nicht verdient ein Land zu regieren und sollte besser heute als morgen seine Sachen aus dem Landeshaus abholen.“

Der BSVSH hatte starke Bündnispartner an seiner Seite. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPVW) und der Sozialverband Deutschland (SoVD) bekundeten ihre Solidarität und verwiesen auf eigene, sozialere Alternativvorschläge zu den Haushaltskürzungen, die bisher offenbar ungelesen in den Schubladen der Regierung verschwunden seien. „Soziale Gerechtigkeit ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens“, waren sich Sven Picker (SoVD) und Günter Ernst-Basten (DPWV) einig.

Auch die Oppositionsparteien im Kieler Landtag waren vertreten. Dr. Ralf Stegener, Fraktionsvorsitzender der SPD, Flemming Meyer, sozialpolitischer Sprecher des Südschleswigschen Wählerverbandes, sowie Uli Schippels, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, erteilten den Kürzungsplänen geschlossen eine Absage. „Es ist schäbig, am Sonntag von Barrierefreiheit und Inklusion zu reden, um dann in der Woche die Mittel dafür wegzustreichen“, kritisierte Stegener. Klarer Konsens aller Oppositionsparteien: Für die Wirtschaftskrise sollen die zahlen, die sie verursacht haben. Banker belohnen und Blinde bestrafen, ist unsozial und ungerecht. DBSV-Präsidentin Renate Reymann freute sich über den Schulterschluss der Politik, merkte jedoch kritisch an: „Leider haben wir die bittere Erfahrung gemacht, dass Parteien in der Opposition und im Wahlkampf unsere Forderungen unterstützten. In der Regierungsverantwortung sieht das dann oft anders aus.“ Sie lud die Anwesenden jedoch herzlich ein, möglichst bald den Gegenbeweis anzutreten. „Wer Blinde quält, wird abgewählt“ – das sollte Wählern und Politikern bis zur kommenden Landtagswahl 2012 im Gedächtnis bleiben.

Mit dem Behindertenbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Ulrich Hase, bekannte sich außerdem ein fast tauber und damit selbst behinderter Politiker zum Blindengeld: „Solange wir kein Teilhabegeld auf Bundesebene für alle Menschen mit Behinderung haben, solange steht für mich das Blindengeld als eine letzte Bastion, für die es lohnt zu kämpfen.“ Ein bundesweit einheitliches Blinden- bzw. Teilhabegeld erklärte auch Renate Reymann zum langfristigen Ziel. Das Verteilen von Almosen nach Gutsherrenart müsse dringend aufhören.

Nun steht im Blindengeldkampf in Schleswig-Holstein der Endspurt an: Bereits am Mittwoch, dem 20. Oktober, ist die nächste Mahnwache geplant. Bei der CDU-Regionalkonferenz in Lübeck will man Bundeskanzlerin Angela Merkel einen wirkungsvollen Empfang bereiten. Auch die Unterschriftenliste des BSVSH unter dem Motto „Hände weg vom Blindengeld“ mit bislang über 33.000 Unterschriften soll bis zum 1. November noch kräftig gefüllt werden. „Ob unsere Anstrengungen reichen, um den Beschluss des Sparpakets zu kippen, wissen wir nicht. Sicher ist jedoch: Wir lassen uns nicht klein kriegen und kämpfen weiter“, stellte Annegret Walter fest. Gewissheit gibt es voraussichtlich im November, wenn das Gesetz endgültig zur Abstimmung im Landtag steht.

Akustische Eindrücke von der Veranstaltung in Kiel hören Sie in der Dezember-Ausgabe von DBSV-Inform sowie am kommenden Samstag, 23.10., ab 16.05 Uhr in der Sendung „Schwerpunkte“ des Ohrfunks, zu empfangen unter www.ohrfunk.de

Mehr Informationen zu weiteren Aktionen sowie den Unterschriftenlisten des BSVSH bei Michael Meier, Tel.: 04 51 / 40 85 08-14, E-Mail: meier@bsvsh.org, www.bsvsh.org

Nachtrag: Einen NDR-TV-Beitrag von der Demonstration können Sie hier sehen.

Eine fragwürdige Konsequenz: Eine Replik auf Carsten D.

(Ergänzt am 18. Oktober 2010)

Anlässlich des heutigen Tags des weißen Stockes veröffentlichte die Welt einen Text. In ihm begründet der blinde Carsten D. seinen Austritt aus dem Blinden- und Sehbehindertenverein Schleswig-Holstein:

Ich bin ausgetreten aus dem Kollektiv von Jammerlappen. Aus dem Blindenverband. Fast mein ganzes Leben war ich Mitglied, jetzt hat es mir gereicht. Ich habe ein Schreiben bekommen, mit dem ich gebeten wurde, gegen die Kürzung des Blindengeldes in Schleswig-Holstein mitzudemonstrieren. Das war mal wieder typisch: Die einzig sichtbare Aufgabe, die der Verband wahrnimmt, ist öffentliches Jammern. An das Mitleid der Gesellschaft appellieren. Die Schwächsten vorschicken, ihre Hilfsbedürftigkeit zur Schau stellen und sie abhängig machen von Almosen des Staates. Da will ich nicht mehr mitmachen. Ich will nicht jammern. Ich will ernst genommen werden. Ich will etwas leisten.

Carsten D. – warum er zu seiner harschen Kritik nicht mit seinem Nachnamen stehen möchte bleibt sein Geheimnis – spricht einen wichtigen Punkt an und zieht doch eine fragwürdige Konsequenz. In der Tat stehen die Organisationen der blinden und sehbehinderten Menschen vor der Herausforderung, dass sie einerseits die Potenziale blinder und sehbehinderter Menschen bekannt machen wollen, andererseits aber auch die Interessen derjenigen Betroffenen vertreten wollen, die auf Hilfe angewiesen sind. Ich kann zwar nicht für meine Kollegen in Schleswig-Holstein sprechen, kann aber sagen, dass wir in Hamburg nicht die Ansicht haben, dass es unsere einzig sichtbare Aufgabe ist, öffentlich zu Jammern. Ich nenne nur einige Beispiele aus der alltäglichen Arbeit unseres Blinden- und Sehbehindertenvereins: In Gesprächskreisen finden neu von einer Sehbehinderung Betroffene wieder Mut und Zuversicht. Wir halten Vorträge über den Alltag blinder und sehbehinderter Menschen vor Schulklassen, Auszubildenden oder Beratern der Arbeitsagentur und tragen damit zu mehr Verständnis gegenüber blinden und sehbehinderten Menschen bei. Wir setzen uns bei Rundfunkanstalten, Verkehrsbetrieben, Behörden und der Politik für eine barrierefreie Stadt ein und treten als Experten in eigener Sache auf – und nicht als Jammerlappen. Wir ermöglichen Zugang zu Kultur, indem wir z. B. Museen ansprechen, damit sie Angebote schaffen, die für sehbehinderte Menschen nutzbar sind, oder wir bringen selbst behinderte und nichtbehinderte Menschen in unserem Hause zusammen, damit sie Kunst für alle gemeinsam erleben und voneinander lernen können. Wir beraten Unternehmen, Agenturen und staatliche Stellen in Sachen barrierefreies Internet – selbstbewusst und nicht flehend. auch hier kann ich D.s Kritik nicht nachvollziehen. Er greift einen Punkt heraus – den Kampf ums Blindengeld – und reduziert das Engagement der Selbsthilfeorganisationen auf diesen Punkt.

Und auch beim Blindengeld irrt D. Es geht hier nicht um unzeitgemäße Almosen, sondern um einen modernen Nachteilsausgleich. Denn es gibt immer noch Barrieren in dieser Gesellschaft. Technische Hilfsmittel sind kostenintensiv, helfende Hände in Haushalt oder auf Reisen müssen finanziert werden. Die Städte sind nicht so gebaut, dass ich als blinder Mensch selbstständig überall hinkomme, sondern ein Taxi brauche. Indem es eine garantierte finanzielle Leistung wie das Blindengeld gibt, wird ein Großteil der von D. so hochgehängten Selbstständigkeit erst möglich. Gerade damit wir zukünftig nicht wieder auf Almosen im eigentlichen Wortsinn und auf Mitleid angewiesen sind, brauchen wir eine Leistung wie das Blindengeld. D. scheut nicht vor Halbwahrheiten zurück, um seine Thesen zu untermauern:

Als Antwort auf meinen Austritt schickte mir der Blindenverband einen Brief mit Gründen, warum ich doch Mitglied bleiben sollte. Einer davon lautete: Eine Ausgabe „Der Herr der Ringe“ in Blindenschrift kostet 400 Euro – welcher Blinde könnte sich so etwas ohne Unterstützung des Verbandes leisten? Also, ich habe eine Ausgabe von dem Tolkien-Klassiker. Sie hat 50 Euro gekostet. Als Hörbuch.

D. erwähnt nicht, dass es einen Unterschied gibt, ob man ein Buch selbst liest oder es sich anhört. Selbst lesen zu können, ist eine kulturelle Errungenschaft. Rechtschreibung lerne ich, wenn ich selbst teure Braillebücher lese. Ich kann mein eigenes Tempo bei der Lektüre wählen. Meine Fantasie wird beim eigenständigen Lesen stärker angeregt als bei der vorinterpretierten Audiofassung. Will D. blinden Menschen das Recht auf selbstständiges Lesen absprechen? Übrigens: wenn er das Blindengeld nicht braucht, ist er nicht gezwungen, es zu beantragen. Es gibt aber viele Betroffene, die darauf angewiesen sind.

D. will nicht auf seine Behinderung reduziert werden. Damit hat er Recht. Es ist so, dass blinde Menschen in den Medien fast ausschließlich über ihre Blindheit reden dürfen – das gilt ja selbst für D. im Welt-Artikel. Wann taucht denn mal ein behinderter Mensch in Straßenumfragen über Atompolitik auf oder in Talkshows über Alltagssorgen oder die Liebe? D. möchte lieber etwas leisten. Solang die Rahmenbedingungen und das Bewusstsein breiter Teile der nichtbehinderten Bevölkerung aber so sind, dass dem Leistungswillen blinder und sehbehinderter Menschen immer wieder Steine in den Weg gelegt werden, solang ist es Aufgabe von Selbsthilfe-Organisationen für die eigenen Belange zu streiten. „Das Wort „blind“ mochte kein potentieller Arbeitgeber“, sagt D. Meint er, dass sich das ändert, wenn wir nicht gemeinsam für unsere Rechte kämpfen?

Ergänzend zum Thema empfehle ich mein Interview mit Carsten Dethlefs über Kollektiv-Bilder.

Perspektiven (13): „Trotz langjähriger Praxis noch nie gesehen“

Die Auseinandersetzungen um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 sind in der vergangenen Woche eskaliert. Dabei riskierte die Polizei offenbar die Gesundheit der Protestierer. Die Stuttgarter Nachrichten berichten von zwei Personen, die von Erblindung bedroht sind. Konstantin Schwarz und Wolf-Dieter Obst zitieren am 4. Oktober einen behandelnden Arzt:

„Ein Wasserwerfer kann einen Menschen umreißen. Trifft er das Auge, ist dass wie ein stumpfer Schlag“, so Sauder. Das Auge könne dabei aufreißen. Auch die Blutgefäße im Auge können reißen. Es droht grauer Star, auch eine Netzhautablösung ist möglich. Verletzungen wie am Donnerstag, als noch fünf weitere Fälle ambulant zu behandeln waren, habe er trotz langjähriger Praxis „noch nie gesehen“, sagt Sauder, die Auswirkungen von Reizgas dagegen schon oft. Das Spülen des Auges mit sauberem Wasser sei gegen Pfefferspray oder Reizgas hilfreich. Diese Mittel seien aber „extrem unangenehm und schmerzhaft“, so Sauder, eine Augencreme könne helfen.

Peter Eisenach ist vor der Wende erblindet. Sein Bild von Berlin ist ostdeutsch. B.Z.-Journalistin Birgit Bürkner widmete Eisenach einen kurzen Text zum 3. Oktober:

In Peter Eisenachs (46) Welt ist die Oberbaumbrücke noch unpassierbar, hinter dem Brandenburger Tor steht die Mauer, das Warenhaus am Alexanderplatz trägt rot-weiße Waben, die Altbauten am Hackeschen Markt sind schlammfarben. Das Berlin der deutschen Einheit hat der ehemalige Zerspanungs-Facharbeiter aus Prenzlauer Berg noch nie gesehen. Kurz vor der Wende erblindete er. „Aber die alten Bilder aus Kindheit und dem frühen Erwachsenenalter haben sich mir eingebrannt. Die kann ich nicht vergessen“, sagt er. Eisenach lebt – rein visuell – in dem, was er zuletzt erblickte: Berlin, Hauptstadt der DDR, Ende der Achtziger!

Amene Bahrami verlor ihr Augenlicht durch einen Verehrer. Die Iranerin hatte ihn mehrfach zurückgewiesen. Er verätzte ihre Augen nach zwei Jahren erfolglosen Stalkens mit Säure. Jetzt will sie Gleiches mit Gleichem vergelten – und das archaische Rechtssystem des Gottesstaates ermöglicht ihr diese Rache. Annette Langer hat die junge Iranerin für Spiegel Online getroffen:

„Es geht mir nicht um Vergeltung, es geht um Abschreckung“, sagt Bahrami, die selbst tief gläubig ist. Jeden Tag würden in Iran Frauen eingesperrt, vergewaltigt und mit dem Tode bedroht, ihre eigenen Männer behandelten sie wie Dreck. „Leute wie Madschid Mowahedi sollen wissen, dass sie so etwas nie tun dürfen, dass es Frauen wie mich gibt und dass wir nicht wenige sind.“ Eindringlich fordert sie ihre Geschlechtsgenossinnen auf, nicht klein beizugeben. „Wenn sie nicht kämpfen, werden sie enden wie ich.“

In „Perspektiven“ stelle ich lesenswerte Beiträge rund um Augenerkrankungen, Sehbehinderung und Blindheit vor. Viele weitere Linktipps erhalten Sie vom Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg via Twitter.

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