Blind im Bild

Eine Foto-Reihe, die blinde Menschen zeigt? Mich hat in der vergangenen Woche eine Design-Studentin besucht, die genau eine solche Reihe als Abschluss-Arbeit erstellt. Sie fotografiert blinde Menschen in deren alltäglicher Umgebung. Was ist daran spannend?

Die Spannung liegt für mich darin, dass das Medium Bild im Alltag der porträtierten Person keine Rolle spielt. Für blinde und viele stark sehbehinderte Menschen sind Tonaufnahmen oder fühlbare Erinnerungen deutlich relevanter als Fotos. Diese Spannung birgt aber auch eine Gefahr: der Fotografierte ist dem Medium ausgeliefert. Er hat keinen oder nur wenig Bezug zur Wirkungsmacht von Bildern. Er kann seine Präsenz auf dem Bild kaum steuern. Er kann nicht einmal das Ergebnis des Shootings eigenständig bewerten. Blinde Menschen mit den Augen zu beobachten, hat etwas voyeuristisches, ganz gleich ob im Film, auf der Bühne oder auf einem Foto. Das ist keineswegs als Vorwurf gemeint, aber ein Fakt, dem sich ein Künstler (sei er blind oder sehend) bewusst sein sollte, will er das Thema verarbeiten. Und letztlich ist es auf der Straße, im Bus oder im Supermarkt nicht anders: Auch hier sind wir ständig Blicken ausgesetzt, die wir nicht erwidern. Und gerade weil das Beobachten für sehende Menschen und Beobachtet werden für blinde Menschen zum Alltag gehört, ist es eine künstlerische Auseinandersetzung wert. Ich wünsche mir, dass eine solche Auseinandersetzung die Unterschiedlichkeit von blinden Menschen thematisiert^und sie nicht nur auf ihre Behinderung reduziert. Es gibt zwar gemeinsame Alltagserfahrungen, die alle Betroffenen teilen, der Umgang mit diesen kann auch gemeinsam (z.B. im Blinden- und Sehbehindertenverein) erfolgen. Aber im Kern sind blinde Menschen Menschen. Und die sind – wie Sehende auch – verdammt unterschiedlich und sehr häufig ein Kennenlernen wwert.

Infos zum Foto-Projekt: http://www.dvbs-online.de/php/dvbs-news288.htm

Brief an Lotta

Liebe Lotta,

falls Du Dich in zehn bis zwanzig Jahren – wenn Du diesen Eintrag vielleicht liest – nicht mehr daran erinnern können solltest: ich habe Dich gestern zum erstenmal gehalten. Du warst sieben Wochen alt, 50 cm klein, hattest winzig-kleine Hände und einen ganz schön kleinen Kopf, mit vielen Haaren darauf. Du hattest auch Haare auf den Ohren (aber darüber wollen wir lieber schweigen, die wirst Du schon noch los). Du hast leise gequietscht und Dich ein wenig gestreckt. Dabei haben die Glöckchen in Deinen Schuhen – auf die ich ein Bisschen neidisch bin – geklappert. Geschrien hast Du nicht. Ich denke, dass das ein gutes Zeichen ist. Obwohl vielleicht warst Du einfach von Deinen lieben Eltern so satt und glücklich gestopft, dass es keinen Grund mehr zum Schreien gab und Dir völlig schnurz war, in wessen Schoß Du gerade liegst? Nein nein, ich hatte einen guten ersten Eindruck von Dir! Petrus, Tinka und Du werdet schon Spaß haben. Und gelegentlich kommt Onkel Heiko mal vorbei und sagt erfreut: „Du bist aber groß geworden!“

Schall- und Stufenschlucker

Gestern und heut lag Schnee. Ich hätte darauf verzichten können. Gut, auch ich habe als Kind Schneemänner gebaut und Schneeballschlachten geschlagen. Deshalb kann ich mich einer gewissen Nostalgie bei diesem Wetter nicht erwehren. Und einen Spaziergang durch einen verschneiten Wald in charmanter Begleitung finde ich auch romantisch. Aber alltagskompatibel ist Schnee für mich nicht.

Schnee bedeutet Ruhe, lästige Ruhe. Plötzlich fehlt mir akustische Kontrolle, die mir sonst meinen Arbeitsweg erleichtert. Der Schnee schluckt den Schall meiner Schuhe und die Geräusche der Autos. Und er begräbt Boden-Unebenheiten unter sich. Ich fühle mit meinem Blindenstock nicht mehr, wo der Bordstein endet und der Sandstreifen anfängt, wo die abgeflachte Bordsteinkante ist. Liegt der Schnee sehr hoch, ist ein selbstständiges Bewegen für blinde Menschen mit Stock kaum möglich. Gut, dass man sich in Hamburg darauf verlassen kann, dass der Schnee nie länger als einen halben Tag liegen bleibt. Und beinah könnte man zum leidenschaftlichen Befürworter der Klima-Katastrophe werden, denn schließlich kontte ich in diesem Winter jeden Tag allein zur Arbeit gehen. Also, Heizung höher drehen und Fenster aufreißen! Aber nein, was wird dann aus Winterromantik und -nostalgie?

Blindes Bolzen

Die Kollegen der journalistischen Zunft interessieren sich dieser Tage für Blinden-Fußball. In Deutschland ist die Sportart recht neu. Sie kam mit der WM 2006 in unser Land. Die blinden Bolzer versuchen den Klingelball im Tor der sehenden Torwarte unterzubringen. Ihnen helfen Zurufe der sehenden Trainer.

In der vergangenen Woche wurde in Berlin die Blinden-Fußball-Bundesliga vorgestellt. Schirmherr ist HSV-Legende Uwe Seeler. Ab dem 29. März werden acht Teams aus Deutschland den ersten Meister ausspielen. Initiatoren der Liga sind die Herberger-Stiftung des Deutschen Fußballbundes und der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband.

Auch aus Hamburg kommt ein Bundesliga-Team. Der Kultclub FC St. Pauli hat eine eigene Blinden-Fußball-Mannschaft, an die ich schon häufiger Presse-Vertreter verweisen konnte. Blinden-Fußball ist medial spannend: Es gibt zum einen ein vertrautes Equivalent im Sport der Sehenden, und es ist Action auf dem Platz. Bleibt zu hoffen, dass die Gründung der Liga dem Sport einen Schub verleiht. Mein Freund Trevor immerhin will jetzt auch damit anfangen…

Links zum Thema

Offizielle Homepage zum Blindenfussball: http://www.blindenfussball.net

Mehr Infos auf der BSVh-Homepage: http://www.bsvh.org/news/44/37/

Kobinet-Artikel zur Bundesliga: http://www.kobinet-nachrichten.org/17623/1

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