Blind im Bild

Eine Foto-Reihe, die blinde Menschen zeigt? Mich hat in der vergangenen Woche eine Design-Studentin besucht, die genau eine solche Reihe als Abschluss-Arbeit erstellt. Sie fotografiert blinde Menschen in deren alltäglicher Umgebung. Was ist daran spannend?

Die Spannung liegt für mich darin, dass das Medium Bild im Alltag der porträtierten Person keine Rolle spielt. Für blinde und viele stark sehbehinderte Menschen sind Tonaufnahmen oder fühlbare Erinnerungen deutlich relevanter als Fotos. Diese Spannung birgt aber auch eine Gefahr: der Fotografierte ist dem Medium ausgeliefert. Er hat keinen oder nur wenig Bezug zur Wirkungsmacht von Bildern. Er kann seine Präsenz auf dem Bild kaum steuern. Er kann nicht einmal das Ergebnis des Shootings eigenständig bewerten. Blinde Menschen mit den Augen zu beobachten, hat etwas voyeuristisches, ganz gleich ob im Film, auf der Bühne oder auf einem Foto. Das ist keineswegs als Vorwurf gemeint, aber ein Fakt, dem sich ein Künstler (sei er blind oder sehend) bewusst sein sollte, will er das Thema verarbeiten. Und letztlich ist es auf der Straße, im Bus oder im Supermarkt nicht anders: Auch hier sind wir ständig Blicken ausgesetzt, die wir nicht erwidern. Und gerade weil das Beobachten für sehende Menschen und Beobachtet werden für blinde Menschen zum Alltag gehört, ist es eine künstlerische Auseinandersetzung wert. Ich wünsche mir, dass eine solche Auseinandersetzung die Unterschiedlichkeit von blinden Menschen thematisiert^und sie nicht nur auf ihre Behinderung reduziert. Es gibt zwar gemeinsame Alltagserfahrungen, die alle Betroffenen teilen, der Umgang mit diesen kann auch gemeinsam (z.B. im Blinden- und Sehbehindertenverein) erfolgen. Aber im Kern sind blinde Menschen Menschen. Und die sind – wie Sehende auch – verdammt unterschiedlich und sehr häufig ein Kennenlernen wwert.

Infos zum Foto-Projekt: http://www.dvbs-online.de/php/dvbs-news288.htm

Autor: Heiko Kunert

Heiko Kunert (44) ist Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg und selbst blind. Er ist Vorstandsmitglied der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen, der Stiftung Centralbibliothek für Blinde, der Norddeutschen Blindenhörbücherei und der Erich-Quenzel-Stiftung, sowie Mitglied im Verwaltungsrat der Verbraucherzentrale Hamburg. Er ist freier Journalist und engagiert sich für Inklusion und Barrierefreiheit.

4 Kommentare zu „Blind im Bild“

  1. ich sach nur:
    neulich am schalter der bahn:

    so, jetzt mach ich noch ein foto von ihnen

    und dann zeigte die dame ganz freundlich das bild in der digicam dem heiko

    ~sarih~

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  2. Das wird noch schön analog gemacht, mit Negativ und alles. Um das sehen zu können, muss man mich schon besuchen. Und selbst dann, bekommt man es nur zu Gesicht, wenn es schön, zumindest aber interessant wird…;-)

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  3. ein interessantes projekt – Blinde auf Bildern schick und positiv darzustellen ist – das kann ich aus eigener Erfahrung als Vollblinder sagen – 1. nicht immer ganz leicht und für Fotograf und Fotografierten beidermaßen eine Herausforderung… meine freunde fragen mich auch immer wieder warum ich als Blinder so oft bilder von mir und anderen mache und in meinem blog zeige…
    aber schließlich tun wir vieles ja auch für bessere Angleichung und Kommunikation…

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