Reha-Rückblick: So war’s an der Ostsee

Einige Mitpatienten klagten über ihren zu vollen Rehaplan, andere über zu wenige Anwendungen. Überhaupt schienen mir einige Menschen primär um des Meckerns Willen in der Rehaklinik gewesen zu sein. Zu dreckig, Essen mies, Personal unmotiviert usw. Ich konnte das nicht nachvollziehen. Mir jedenfalls haben die vier Wochen im Juli und August in Schönhagen sehr geholfen – und das nicht nur wegen des schönen Wetters und der guten Ostseeluft.

Als ich hier im Blog zuletzt über meinen Gesundheitszustand berichtete, ging es mir bei Weitem nicht so gut wie heute. Ich war immer noch recht Müde und schnell erschöpft, hatte wenig Kraft, fühlte mich in meinem Körper nicht so wohl. Heute ist das alles viel besser – wenngleich natürlich nicht wie vor der OP -, und das verdanke ich vor allem der Reha.

Täglich Physiotherapie, Muskelaufbau und Konditionstraining auf Ergometer und Laufband, dazu Einheiten im Bewegungsbad, Massagen, Entspannungsübungen, Vorträge rund um Ernährung, Gesundheit und Bewegung und moderierte Gruppen zum Umgang mit Krebs, zum Wiedereinstieg in den Beruf und vieles mehr. Das war ein sehr hilfreiches Programm für mich, so dass ich die für drei Wochen angesetzte Maßnahme dann auch um eine Woche verlängert habe.

Und ich möchte dem Team der Schlossklinik Schönhagen auch auf diesem Weg noch einmal danken. Es ist sehr souverän und professionell mit meiner Behinderung umgegangen – unverkrampft, unaufdringlich, hilfsbereit. Das gilt für den behandelnden Arzt, für das Pflegepersonal, die Therapeuten, Berater, den Begleitservice, das Personal im Speisesaal und am Empfang. So wünscht man sich das!

Wie geht es jetzt weiter? Zum einen werden mich für den Rest meines Lebens die Nachsorgetermine begleiten (zunächst alle drei Monate). Einen davon hatte ich vor knapp zwei Wochen. Mein Thorax wurde via CT unter die Lupe genommen, insbesondere die Lunge. Es war alles in Ordnung. Aber die Minuten, in denen Anna und ich auf die Ärztin und das Ergebnis der Untersuchung gewartet haben, waren schon sehr aufwühlend. Kommenden Mittwoch folgt dann die Untersuchung des Bauchbereichs. Drücken Sie mir die Daumen, dass auch hierbei nichts gefunden wird.

Wenn der Nachsorge-Termin erfolgreich überstanden ist, starte ich langsam auch wieder ins Berufsleben. Im Rahmen einer Wiedereingliederung beginnt es mit zwölf Arbeitsstunden pro Woche, die ich – nach jetzigem Stand – langsam bis Mitte Dezember auf eine volle Stelle steigern werde. Ich freu mich drauf!

Nach der Bestrahlung: „Heiko, wie geht’s Dir?“

„Heiko, wie geht’s Dir?“, fragen mich Freunde, Bekannte und Angehörige. Eine einfache Antwort gibt es da eigentlich nicht.

Klar, es geht mir körperlich deutlich besser als kurz nach meiner Operation. Auch gibt es immer häufiger Tage relativer Leichtigkeit – bei einem sonnigen Spaziergang mit Anna an der Elbe, bei einem guten Essen oder einem lustigen Gespräch mit Freunden. Aber gut ist anders.

Was ist seit meinem letzten Blogpost passiert?

Vor allem wurde ich bestrahlt. 28 Termine, verteilt auf sechs Wochen. Heißt: Jeden Werktag – zweimal auch an einem Sonntag – mit dem Taxi ins Universitätsklinikum Eppendorf, zur Tomotherapie, in einen kalten Raum mit Hightech-Gerät. Über das Bestrahlungsgerät, das in meinem Fall genutzt wurde, heißt es auf der UKE-Homepage:

Das Bestrahlungsgerät ist eine Fusion aus einem Linearbeschleuniger und einem Computertomographen. Hierdurch sind sowohl tägliche Kontrollen als auch sehr exakte Korrekturen der Bestrahlung möglich. Die aufwendige inverse Bestrahlungsplanung führt zu einer sehr guten Schonung der Risikoorgane. Diese bildgeführte Radiotherapie stellt weltweit eine der modernsten radioonkologischen Verfahren dar. Eingesetzt werden kann die TomoTherapy zur Behandlung vieler verschiedener Tumore. Hierzu gehören u.a. das Prostatakarzinom, Kopf-Hals-Tumore, Hirntumore und Lungenkarzinome. Außerdem erlaubt uns die TomoTherapy, zukünftig sehr komplexe Zielvolumina noch optimaler zu bestrahlen.

Und tatsächlich hielten sich die Nebenwirkungen bei mir in erträglichen Grenzen. Keine Hautreizungen, keine Übelkeit, lediglich müde war ich Phasenweise. Vor allem in den Tagen nach dem letzten Termin hab ich sehr viel geschlafen. Da kam sicherlich hinzu, dass sich meine seelische Anspannung mit Abschluss der Therapie etwas gelegt hat.

Neben der Strahlentherapie hatte ich noch ein paar Nachsorge-Untersuchungen – Blutabnahme, Ultraschall. Und sonst?

Sonst gehen die Wochen so ins Land. Bereits seit Anfang März bin ich krankgeschrieben, war ich nicht mehr auf der Arbeit, konnte ich nicht mehr bei meinem tollen Team im Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg sein. Von einem Tag auf den anderen war mein Alltag weg.

Der Körper heilt – langsam, aber stetig -, konnte ich Ende April höchstens eine Viertelstunde spazieren, sind es heute mehrere Stunden. Dennoch brauch ich danach deutlich länger als früher, um mich zu erholen. Auch sehr langes Konzentrieren ist manchmal fast schon körperlich anstrengend.

Da ist es doch ein Glück, dass seit einigen Monaten die Quizduell-App barrierefrei ist, so dass sie auch von blinden Menschen genutzt werden kann. Ich mache davon Gebrauch, muss ich mich doch nicht langanhaltend konzentrieren, aber das Gehirn bleibt dennoch gefordert. Also, wenn Sie mit mir ein bisschen Quizduell spielen möchten, mich tät’s freuen. Mein Spielername ist HeikoKunert.

Glücklicherweise kann ich inzwischen wieder alles essen, was mir schmeckt. Zunächst musste ich auf scharfes Essen, rohes Gemüse, Zwiebeln, fettiges Essen, Schokolade verzichten. Das geht nun alles wieder. Und ein leckeres Essen tut ja auch der Seele gut, zumal wenn man es mit guten Freunden verbringt…

Hörbücher begleiten mich durch die Zeit der Genesung. Seien es Brunetti-Krimis von Donna Leon, „Kapital“ von John Lanchester, Murakamis „Die Pilgerjahre des Farblosen Herrn Tazaki“, „Brennen muss Salem“ von Stephen King oder die Bibel. Für viele Genres ist gerade Zeit.

Und auch Musik ist mir ein wertvoller Begleiter in schwierigen Zeiten: Sei es, dass sie melancholische, nachdenkliche Phasen untermalt oder aber dass sie mich in die unbeschwerte, gute alte Zeit trägt oder aber beschwingt in die Zukunft blicken lässt. Meinen aktuellen Soundtrack können Sie übrigens nachhören, einfach auf meine Sternchen-Liste bei Spotify surfen und dort am besten auf „Zufällige Wiedergabe“ klicken – dann hören Sie sehr schöne Musik, finde ich.;-)

Und in der kommenden Woche beginnt meine Anschlussheilbehandlung, wie das so schön heißt. Und auch hierzu ist meine Gefühlslage ambivalent. Einerseits freue ich mich, dass es weiter geht, dass ich wieder fitter gemacht werden soll. Ich hoffe, dass mir Termine mit Physiotherapeuten, Psychologen und Sozialberatern helfen werden. Andererseits bin ich wieder in einer Einrichtung, einer Klinik, drei Wochen lang. Kann man sich darauf wirklich freuen? Immerhin ist die Klinik an der Ostsee – und das ist doch auch mal was…

Krankenbericht: Die Blase ist weg

Nun ist sie weg. Heute vor vier Wochen wurde meine Blase entfernt. Über sechs Stunden dauerte diese komplexe Operation. Danach plangemäß drei Tage Intensivstation. Drei Tage vor der Operation und fünf Tage danach gab es keine Feste Nahrung. Ich habe nicht unerheblich abgenommen. Anschließend gab’s zunächst nur Zwieback und Joghurt, danach Suppen, dann einige Tage lang nur püriertes Essen (selbst Fleisch oder Fisch waren püriert), und seit zwei Wochen genieße ich wieder festes Essen, wenngleich ich mich noch mehrere Monate vor zu schwerer Kost hüten soll.

Die Tage im Krankenhaus waren nicht ohne. Schmerzen hatte ich zwar kaum, nicht zuletzt weil ich mir jederzeit selbst Schmerzmittel per Knopfdruck direkt über einen Wirbelsäulen-Katheter zuführen konnte. Dennoch war die Phase mit Katheter im Rücken, Venenzugang im Hals und mehreren Schläuchen und Schienen im Bauch emotional ziemlich belastend.

Körperlich habe ich den Eingriff gut überstanden, so dass ich bereits 15 Tage danach wieder nach Hause konnte. Allein die innere Wundheilung dauert aber gut zwei Monate. Daher bin ich immer noch ziemlich geschwächt. Täglich erhöhe ich die Bewegungsdosis an der frischen Luft. Mit einigen Bankpausen habe ich es inzwischen durch den Stadtpark geschafft (Fußweg rund 45 Minuten) – danach war ich aber auch reif fürs Bett. Mir tut es auch gut, mal ein bisschen zu schreiben, mich am Rechner abzulenken, aber nach eineinhalb Stunden brauche ich auch erst einmal eine längere Pause.

Die Seele braucht deutlich länger als der Körper, befürchte ich. Zumal ja nicht nur der Verlust eines Organs und damit verbunden ein veränderter Alltag, eine neue Körperwahrnehmung verarbeitet werden müssen. Es geht ja leider noch weiter. So soll in zwei Wochen eine sechswöchige Bestrahlungsphase beginnen. Wenngleich Proben keinen Krebs im angrenzenden Gewebe und den Lymphen beinhaltet haben, so sei eine Bestrahlung dennoch geboten, um mögliche noch vorhandene Krebszellen zu vernichten. Und auch das Thema Chemotherapie ist noch nicht vom Tisch. Die Ärzte des Marienkrankenhauses raten mir nicht zwingend zu ihr, da insbesondere die Nebenwirkungen bei dieser Art der Chemotherapie nicht ohne seien. Sie sagen aber auch, dass das Risiko einer erneuten Erkrankung durch die Chemo um weitere 6% minimiert würde und ich letztlich entscheiden müsste, wie hoch mein Sicherheitsbedürfnis sei. Keine ganz leichte Entscheidung. Daher bin ich derzeit dabei, mir eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen.

Auch wenn – oder besser: weil – derzeit alles recht schwierig ist, habe ich mich sehr über den enormen Zuspruch der letzten Wochen gefreut. Zu nennen sind Hunderte ermutigende Kommentare auf Facebook, Twitter und hier im Blog, per E-Mail, Telefon, Post oder Krankenhausbesuch. Und wer sich da nicht alles gemeldet hat: alte Freunde, die ich seit zwei Jahren nicht gesehen hatte, standen plötzlich an meinem Krankenbett, Familienangehörige kamen nach Hamburg, Freunde, Bekannte und Menschen, die ich nur über das Web kenne haben mir ermutigende Kommentare geschickt, Sozialpolitikerinnen und Pressesprecher schrieben mir Genesungsbriefe, Mitglieder und Mitarbeiter des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg und der Aktion Mensch schickten mir Post und Mails… Jeder einzelne Wunsch, jeder einzelne Gruß tat unglaublich gut, gab mir und gibt mir Kraft. Ihnen und Euch ganz herzlichen Dank dafür!

Und ein ganz besonderer, ein ganz, ganz großer Dank gilt der bezaubernden Anna, die mir jeden Tag im Krankenhaus beigestanden hat, die meine Wut, meine Angst und meine Trauer erdulden musste und derzeit fast im Alleingang unseren Alltag managt, die aber selbst kurz nach der OP schon mit mir im Krankenhaus rumgeblödelt hat und nun bereits wieder mit mir in der Sonne lacht. Schön, dass es Dich gibt!

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