Im Spiegel-Interview: So werden soziale Netzwerke barrierefrei

Wie können Bilder, Videos und Gifs in sozialen Netzwerken für blinde und sehbehinderte Menschen zugänglich gemacht werden? Wie müssen Hashtags aussehen, damit eine Sprachausgabe sie verständlich vorliest? Wie zugänglich sind Emojis, und wann werden sie nervig? Und was müssten Instagram und Co. verbessern? Über diese Fragen habe ich mit Celine Wegert vom Spiegel gesprochen. Ihr findet das Interview auf spiegel.de.

#BarrierefreiPosten – So wird Social Media inklusiv

Wie kann ich meine Posts auf Facebook, Instagram, Twitter und Co. barrierefrei gestalten? Was kann ich tun, damit zum Beispiel meine Fotos für blinde Menschen zugänglich werden? Diese und viele weitere Fragen beantwortet das Projekt #BarrierefreiPosten.

Initiiert von Laura M. Schwengber geben dort Expertinnen und Experten, wie meine Wenigkeit, praxisnahe, leicht verständliche Tipps. Wir freuen uns auch über Hinweise und weitere Tipps von Leserinnen und Lesern! Schaut doch mal auf barrierefreiposten.de vorbei! Denn jeder von uns kann einen kleinen Teil dazu beitragen, dass das Internet und die sozialen Medien barrierefrei und inklusiv werden!

Der Social-Media-Arzt: „Zusammen auf dem richtigen Weg“

Dr. Johannes Wimmer ist Arzt und im Social Web aktiv. Im Interview mit mir gibt er Tipps zur Arztsuche, spricht über Chancen und Risiken von Diagnosen via Google und über seine Online-Projekte.

Porträt-Foto von Dr. Johannes
Dr. Johannes

Heiko: Immer wieder werden wir vom Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg von Augenpatienten gefragt: „Wie finde ich einen sehr guten Augenarzt?“ Wie lautet Deine Antwort?

Dr. Johannes: Jeder Mensch hat unterschiedliche Vorstellungen davon, was ein sehr guter Arzt ist. Während die meisten Ärzte in Deutschland technisch und medizinisch auf einem hohen Niveau arbeiten, gibt es bei der Kommunikation große Unterschiede. Das liegt wohl auch daran, dass einige Menschen miteinander besser auskommen und andere nicht. Um einen guten Arzt zu finden lohnt es sich, mehrere, aber nicht zu viele Empfehlungen einzuholen. Danach sollte man zu zwei bis drei Ärzten gehen und diese ausprobieren. Am besten wählt man für diesen Probetermin einen Zeitraum, in dem es einem gut geht und man nicht in größter Not ist. So kann man in Ruhe erleben, ob die Chemie nicht nur mit dem Arzt, sondern mit dem gesamten Praxisteam stimmt. Manchmal kann sich aber auch ein Patienten-Arztverhältnis, welches zu Beginn gut war, über die Zeit verschlechtern. Dann sollte man sich trauen, auch einmal einen neuen Arzt auszuprobieren.

Heiko: Krankheiten googeln ist fast schon ein Volkssport – Symptome in die Suchmaschine eingeben, und fertig ist die Diagnose. Ist das Internet aus Mediziner Sicht Fluch oder Segen?

Dr. Johannes: Der Segen des Internets ist die unglaubliche Fülle an Informationen, der Fluch der Onlinemedizin ist die Orientierungslosigkeit. Die Masse an Inhalten der Webseiten kann den Benutzer erschlagen und auf die falsche Spur führen. Die Situation ist für Ärzte und Patienten schwierig, da in kurzer Zeit alle Informationen, die veraltet oder falsch sind, diskutiert werden müssen. Ein weiteres Problem ist, dass im Netz vor allem die schlimmsten Krankheiten und Diagnosen besonders stark vertreten sind. Wenn man abends im Internet nach einer medizinischen Antwort sucht, kann es passieren, dass man die nächsten Nächte nicht mehr schlafen kann und Todesängste durchstehen muss, weil das Internet Horrorszenarien geliefert hat. Ein absoluter Segen des Internets sind die sozialen Medien. Früher war es teilweise sehr schwer, Selbsthilfegruppen zu finden oder in Foren aufgenommen zu werden. Heute ist es leichter geworden, jemanden zu finden, der nicht nur das gleiche Problem hat, sondern sich sogar zum gleichen Zeitpunkt auf der Patientenreise befindet. Das heißt der andere User hat z.B. ebenfalls erst seit ein paar Tagen von einer Krankheit durch seine Ärzte erfahren. Twitter, Facebook, Google+ und die anderen Netzwerke bieten somit vielen Menschen emotionalen Halt und Sicherheit.

Heiko: Ärzte sind im Social Web immer noch eine Seltenheit. Warum hast Du ein Blog und eine Facebook-Seite gestartet und einen Twitter-Account eingerichtet?

Dr. Johannes: Ich wundere mich immer wieder, dass so wenige Ärzte in den sozialen Medien sind. Ich habe eine Vision, Menschen bereits während der Suche bei Dr. Google und auf dem Weg zum Arzt zu unterstützen. Über Twitter und Facebook kann ich schon mit kleinen Tipps und Tricks, den richtigen Fragen und Informationen meinen Followern helfen, für sich die beste Medizin zu bekommen. Das Feedback und die tollen Kommentare, die ich bekomme, sobald meine Videos online sind, zeigen mir, dass wir zusammen auf dem richtigen Weg sind!

Heiko: Wer steht hinter Doktor-johannes.de und was plant Ihr für die Zukunft?

Dr. Johannes: Dr. Johannes bin ich als echte Person. Ich habe nach einigen Jahren in der Medizin den Wunsch gehabt, die andere Seite des Gesundheitssystems kennenzulernen und bin in eine sehr große Werbeagentur gegangen. Dort durfte ich lernen, was die großen und kleineren Medikamentenhersteller und alle anderen Akteure im Gesundheitssystem machen und in Zukunft machen wollen. Die Arbeit war spannend, aber viel zu weit weg von den Menschen um die es geht. Ich habe nun für mich die perfekte Situation gefunden. Ich arbeite als Arzt in der Chirurgie in einem Krankenhaus in Hamburg mit einer halben Stelle und kann mit der anderen halben Stelle den Videoblog und meine Vision aufbauen. Ein Hamburger Verlag unterstützt mich dabei. Der Verlag Dumrath und Fassnacht ist nicht nur von der Idee des Blogs überzeugt, sondern auch von meiner Vision, dass Menschen bereits online den Grundstein für die beste Medizin legen können. Momentan drehe ich die Videos selbst, bearbeite Sie und stelle sie ins Netz. Die Mitarbeiter aus dem Verlag haben mir eine tolle Seite programmiert und sorgen dafür, dass die Videos online sind.

Heiko: Was gibt Dir die Arbeit im Social Web?

Dr. Johannes: Ich bin unglaublich dankbar für die Möglichkeit, Menschen wie Dich und die anderen Blogger, Follower und in den sozialen Netzwerken aktiven Menschen kennenzulernen. Das Gesundheitssystem in Deutschland wird sich verändern, wenn die Menschen, die es brauchen die Änderung gestalten. Zu sehen, wie dies online geschieht und wie Menschen mit schwersten Erkrankungen, deren Stimmen vorher nie gehört worden wären, heute zu den online Meinungsbildnern gehören, fasziniert mich.

Zur Person:

Dr. Johannes Wimmer (30) ist Hamburger Jung. Nachdem er in der ganzen Welt auf der Suche nach der besten Medizin war, ist er wieder in Hamburg angekommen. Medizin ist für ihn die Möglichkeit, jeden Tag menschlich zu wachsen. Den Antrieb, ständig weiterzumachen und immer die beste Leistung, menschlich und handwerklich, zubringen, hat er seiner Mutter zu verdanken. Seine Kraft schöpft er aus der Zeit mit seiner Familie und seinen beiden Dackeln.

Social Media und Selbsthilfe (2): Die Nische besetzen

Am 4. Juli 2013 fand in Düsseldorf das Forum Verbandskommunikation mit dem Themenschwerpunkt Social Media statt. Ich war als Referent eingeladen. „Social Media und Selbsthilfe: Zwischen Authentizität und kleinem Budget“ hieß mein kurzer Vortrag, auf dessen Grundlage ich hier im Blog eine kleine Serie veröffentliche. Im ersten Teil ging es um Authentizität als Chance.

Themen wie Blindheit und Sehbehinderung gelten in klassischen Medien häufig als Rand-Themen. umso wichtiger ist für eine Selbsthilfe-Organisation wie dem Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg (BSVH) die Präsenz im Internet. Mit Social Media steigt zum einen die Auffindbarkeit im Web. Zum anderen haben wir unseren Verein Stück für Stück als Experten für unsere Nische aufgebaut.

Das heißt aber nicht, dass wir dank Facebook-Profil plötzlich die breite Masse erreichen. Eine Nische bleibt eine Nische – auch im Social Web. So haben wir aktuell 317 „Gefällt Mir“-Angaben. Darunter ist aber ein Kern sehr interessierter Menschen. Dazu gehören von Blindheit oder Sehbehinderung Betroffene, Vereinsmitglieder, Studierende der Blindenpädagogik, einige meiner eigenen Facebook-Freunde und Interessierte. Diese Heterogenität ist eine Herausforderung für unsere Social-Media-Strategie.

Wir liefern via Facebook Infos über die Themenfelder Behinderung, Inklusion, kündigen unsere Veranstaltungen an und verweisen auf neue Artikel auf unserer Website. Und wir rufen unsere Fans zu Aktionen auf.

Daneben ist der BSVH auch auf Twitter aktiv. Derzeit folgen uns 2.076 Accounts. Die veröffentlichten Inhalte sind ähnlich wie auf unserer Facebook-Seite. Beim Aufbau von Social Media gab es in meinem Fall viel Learning by Doing. So hat sich unser Twitter-Profil aus meinem persönlichen Account @HeikoKunert entwickelt. Dort hatte ich schon früh Links zu interessanten Artikeln rund um Blindheit, Sehbehinderung und Augenerkrankungen gepostet. Das große Interesse daran zeigte mir, dass die Inhalte auch für ein Twitter-Profil des Vereins geeignet waren.

Es ist eine Social-Media-Binsenweisheit: Interaktion ist auf Facebook, Twitter und Co. entscheidend, will man dort erfolgreich sein. Leider sind die personellen Ressourcen von Selbsthilfe-Organisationen hierfür häufig zu begrenzt.

Im nächsten Teil dieser Serie geht es um das kleine Budget als Herausforderung.

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