Taubblind Leben: Unterschriften-Aktion für mehr Eigenständigkeit

Über das Leben mit einer Taubblindheit wissen die meisten Menschen wenig bis gar nichts. Das Thema ist mit vielen Ängsten behaftet. Das Bild totaler Isolation der Betroffenen spukt in den Köpfen herum. Schon der Gedanke an eine Erblindung oder an den Verlust des Gehörs allein löst Furcht aus. Das Fehlen zweier Sinne, des Sehens und des Hörens, ist nur schwer vorstellbar. Taubblinde Menschen ertasten ihre Umwelt. Sie riechen und schmecken sie. Sie nutzen den weißen Stock. Vibrationsmelder kommen in der Wohnung zum Einsatz. Sie surfen mithilfe einer Braillezeile im Internet und chatten dort miteinander und mit nichtbehinderten Menschen. Sie lassen sich die Umwelt von Assistenten, Freunden und Familienangehörigen beschreiben. Dabei spielt die Kommunikationsform des Lormens eine zentrale Rolle. Der „Sprechende“ berührt beim Lormen die Handinnenfläche des „Lesenden„. Dabei sind einzelnen Fingern, sowie bestimmten Handpartien bestimmte Buchstaben zugeordnet. Taubblindheit ist nicht einfach die Addition zweier Behinderungen, sondern eine Behinderung eigener Art.

In DBSV-Direkt war im Dezember zu lesen:

Taubblinde Menschen haben in fast allen Lebensbereichen einen Assistenz-, Hilfsmittel- und Förderbedarf, der sich von dem blinder und gehörloser Menschen wesentlich unterscheidet. Das geht aus einem Gutachten hervor, das der Gemeinsame Fachausschuss Hörsehbehindert / Taubblind (GFTB) kürzlich veröffentlicht hat. Darin fordern der DBSV und weitere angeschlossene Verbände unter anderem, dass taubblinde Menschen Anspruch auf persönliche Assistenz im Umfang von 20 Stunden pro Woche haben, dass spezielle Hilfsmittel entwickelt werden und dass ein Taubblindengeld eingeführt wird, das den Bedarf an behinderungsbedingten Aufwendungen deckt.

Im System der Sozialleistungen ist der besondere Bedarf taubblinder Menschen bislang nicht verankert, so dass die Betroffenen unter einer dramatischen Unterversorgung zu leiden haben. Um die Situation taubblinder Menschen strukturell zu verbessern, muss zunächst anerkannt werden, dass Taubblindheit eine Behinderung eigener Art ist und nicht bloß die Summe von Blindheit und Taubheit. Deshalb setzt sich der GFTB seit 2007 für die Einführung eines Merkzeichens TBL im Schwerbehindertenausweis ein. Dieses Merkzeichen TBL soll den Verbänden als argumentative Grundlage dienen, um die gesetzliche Verankerung der in dem Gutachten beschriebenen Leistungen einzufordern. Ebenso kann es den Betroffenen helfen, ihre dann bestehenden Ansprüche gegenüber Behörden und Krankenkassen durchzusetzen.

Sie, liebe Leserinnen und Leser, können sich für die Einführung des Merkzeichens TBL einsetzen, indem Sie eine Unterschriften-Aktion der Stiftung Taubblind Leben unterstützen. Sie können sich ganz einfach auf der Homepage der Stiftung in die Liste eintragen und damit helfen, das Thema Taubblindheit in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Aktion wird vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband unterstützt und läuft noch bis April 2011. Weiter sagen!

Autor: Heiko Kunert

Heiko Kunert (44) ist Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg und selbst blind. Er ist Vorstandsmitglied der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen, der Stiftung Centralbibliothek für Blinde, der Norddeutschen Blindenhörbücherei und der Erich-Quenzel-Stiftung, sowie Mitglied im Verwaltungsrat der Verbraucherzentrale Hamburg. Er ist freier Journalist und engagiert sich für Inklusion und Barrierefreiheit.

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