In dieser Woche machte ein Gerichtsurteil die Runde, wonach es Rechtens sei, einer sehbehinderten Frau ohne Begleitperson den Zutritt zu einem Schwimmbad zu untersagen. Mit diesem Urteil verwarf das Amtsgericht die Berufung der betroffenen Frau. Angelika Höhne-Schaller war im Oktober 2014 vom Personal nicht erlaubt worden, allein die Titania-Therme im schwäbischen Neusäß zu besuchen. Im aktuellen Verfahren ging es um die Frage, ob hiermit gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen worden sei.
Die Richter sagten nein. Es gebe einen sachlichen Grund für das Verbot. Der Schwimmbad-Betreiber stehe in der Pflicht, die Badegäste vor Gefahren zu schützen. „Aufgrund der baulichen Besonderheiten des Erlebnisbades mit seinen geschwungenen Wegen, den Wasserströmungen und der unterschiedlichen Beleuchtung“ seien die Gefahren und der Überwachungsaufwand erhöht. Für die Sicherheit sehbehinderter Personen könne daher ohne Begleitperson nicht ausreichend gesorgt werden. Die Klägerin müsse nun entscheiden, ob sie auf eine Begleitperson zurückgreift oder in andere Schwimmbäder ausweicht.
Argumentationen wie diese höre ich häufig. In Gesprächen mit Behördenvertretern, Stadtplanern oder Unternehmern. Und selbst viele Menschen mit Behinderung haben Verständnis. Das zeigt, wie tief verwurzelt Diskriminierung in unserer Gesellschaft ist – in unseren Gesetzen, in unserem Denken, im alltäglichen Handeln. Vorurteile gegenüber behinderten Menschen, Unwissenheit über ihre Fähigkeiten, der um sich greifende Sicherheitswahn, Paternalismus und Behindertenfeindlichkeit gehen allzu oft eine unsägliche Verbindung ein. In einigen Freizeitparks dürfen blinde Menschen nicht allein Achterbahn fahren. Nun wird uns mit richterlichem Segen das selbstständige Schwimmen verboten. Was kommt als nächstes?
Wie passt solch ein Denken in eine Zeit, in der allerorten von Inklusion und gesellschaftlicher Teilhabe gesprochen wird? Es mag ja sein, dass das Schwimmbad nicht sehbehindertengerecht ist. Dennoch scheint sich die Klägerin die Benutzung zuzutrauen. Sie dürfte am besten einschätzen können, was für sie geht und was nicht. Statt gesetzlich vorzuschreiben, dass die fehlende Barrierefreiheit im Schwimmbad beseitigt werden muss, schließt man lieber die Menschen mit Behinderung aus. Bis zu einem inklusiven Deutschland ist es noch ein weiter Weg.
Hat dies auf iviisterx's Blog rebloggt.
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Ja, ich war auch befremdet über die Entscheidung des Gerichts. Das ist kein Beispiel für Fingerspitzengefühl in Sachen Barrierefreiheit. Da hätte man mit Sicherheit einen Vergleich erzielen können, der für beide Seiten tragbar gewesen wäre.
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So eine Entscheidung des Gerichts ist höchst ableistisch! Betroffene wissen selbst doch am besten, was sie können und wo sie Hilfe benötigen. Da wird blinden Menschen abgesprochen, für sich selbst denken und entscheiden zu können.
ich verstehe nicht, wie der Betreiber eines Freibads überhaupt auf die Idee kommt, einer blinden Person den Eintritt zu verweigern, wenn sie keine Begleitperson dabei hat.
Blinde Menschen sind oft alleine unterwegs, was sollte im Freibad da so problematisch sein? Gerade, wenn sich eine Person dort auskennt?
Blockierte Leitstreifen in der Stadt, E-Autos und herumliegende E-Roller sind mit Sicherheit größere Probleme als die Orientierung im Freibad.
Boah, ich krieg gerade so einen Hals!!
(Spinnen wir das Ganze doch einfach mal weiter: was ist mit Menschen, die nicht deutsch sprechen? Brauchen die dann etwa einen Dolmetscher, weil sie die Anweisungen des Bademeisters nicht verstehen? Das wäre genauso beschissen, allerdings wäre das das gleiche Prinzip.
davon abgesehen, gibt es auf dem Handy den Googleübersetzer…)
Ich wünsche mir so sehr ECHTE Inklusion für alle Menschen.
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