Bundesweite Schulaktion gestartet: Vorurteile abbauen, bevor sie entstehen

Damit Vorurteile gar nicht erst entstehen können, haben die Blinden- und Sehbehindertenvereine eine bundesweite Schulaktion gestartet. In 2012 besuchen blinde und sehbehinderte Menschen dritte und vierte Klassen und berichten den Kids über ihren Alltag. Die erste Schulstunde fand vorgestern im Louis-Braille-Center des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg (BSVH) statt.

Die sehbehinderte Cornelia Mackenthun setzte den Drittklässlern der Adolph-Schönfelder-Schule Brillen auf, die eine Sehfähigkeit von zehn prozent simulieren. Was der abstrakte Begriff der Sehbehinderung bedeutet, wurde für die Kinder erfahrbar. Und sie konnten ausprobieren, wie sie mit einer starken Lupe trotz des Handicaps noch lesen konnten.

Im Anschluss stellte Robbie Sandberg – er ist blind – die Brailleschrift vor. Die Grundschüler entzifferten mithilfe eines Alphabets einen kurzen Punktschrifttext. Und sie ertasteten unter einer Schlafmaske Reliefs von Tieren. Das machte Spaß und war lehrreich.

Die Schulstunde fand in Anwesenheit des Präsidenten der Kultusminister-Konferenz, Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD), der Präsidentin des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV), Renate Reymann, und dem zweiten Vorsitzenden des BSVH, Hilding Kißler, statt. In Grußworten hatten zuvor alle drei die bundesweite Schulaktion gewürdigt. Zudem war das Thema Inklusion ein Schwerpunkt der Reden. Dass diese ein großer Fortschritt im Miteinander von behinderten und nichtbehinderten Menschen ist, war Konsens, allerdings wies die DBSV-Präsidentin darauf hin, dass es bei ihrer Umsetzung noch erheblichen Handlungsbedarf gebe. So gibt es in Deutschland einen Mangel an Blinden- und Sehbehindertenpädagogen.

Mehr Infos zur Schulaktion gibt es auf der Kampagnen-Seite des DBSV. In Hamburg steht der Sozialdienst des BSVH als Ansprechpartner für interessierte Lehrerinnen und Lehrer Zur Verfügung.

Inklusionsblog: Eine Übersicht meiner bisherigen Posts

Seit Juli 2011 schreibe ich Beiträge für das Inklusionsblog der Aktion Mensch. Aus drei Autoren zu Beginn sind inzwischen neun Blogger geworden. Viele ganz persönliche Texte wechseln sich mit Sachinfos rund um Inklusion ab. Schauen Sie doch einmal rein. Im Folgenden finden Sie hier eine Übersicht der Artikel, die ich bisher im Inklusionsblog veröffentlicht habe:

  • Theater inklusiv: Die Randgruppe in der Abstellkammer – Alles wird gut. So heißt ein Theaterstück, das im Mai 2011 Premiere in Köln hatte. Das Besondere: Das Ensemble bestand aus Menschen mit und ohne Behinderung… Mehr
  • Studieren als Blinder: Das Unausgesprochene aussprechen – Geballte Unsicherheit schlug mir entgegen, immer wenn ich mich mit einer Referatsgruppe bekannt machte. Meine Kommilitoninnen und Kommilitonen konnten sich nicht vorstellen, wie „der Blinde“ mitarbeiten sollte… Mehr
  • PR-Ausbildung für Blinde und Sehbehinderte: Endlich ein „normaler“ Job – Public Relations (PR) – deutsch: Öffentlichkeitsarbeit – ist für blinde und sehbehinderte Menschen ein recht neues Berufsfeld. Seit Ende der 90er Jahre bildet die Stiftung für Blinde und Sehbehinderte Frankfurt/Main (SBS) PR-Assistenten und PR-Berater aus… Mehr
  • Endlich selbstbestimmt: Eigene Wohnung statt Heim – Wie will ich wohnen? Diese Frage ist zentral in unserem Leben. In der Wohnung können wir uns verwirklichen… Mehr
  • Blind wohnen: Über Füße im Futter und verschollene Korkenzieher – „Benutzt Du den weißen Stock auch in Deiner Wohnung?“, „Kannst Du als Blinder kochen und putzen?“, „Hast Du einen Betreuer?“ – Fragen wie diese stellen mir sehende Menschen… Mehr
  • Judo mit Behinderung: Wenn sich Vereine öffnen – Behindertensportler bleiben häufig unter sich. Sie haben ihre eigenen Olympischen Spiele, die Paralympics. Häufig trainieren sie in speziellen Vereinen… Mehr
  • Kunst für alle: Auch Hände können sehen – Meine Hände gleiten über das Relief. Mal ist es glatt, mal rau – aber nie fühlt es sich unangenehm an… Mehr
  • Rollstuhl-Karate: Schön und elegant – Karate und Behinderung, das ist für viele Menschen unvereinbar. Sie denken bei diesem Kampfsport an fitte Menschen, die sich messen – unter Einsatz ihres gesamten Körpers… Mehr
  • Urlaub inklusiv: Gemeinsam mehr entdecken – Sanft legt sie meine Hand auf das weiche Holz. So fühlt sich also eine ausgewachsene Palme am andalusischen Strand an… Mehr
  • Beruf inklusiv: Fester Job im Hotel – Während im ganzen Land über schulische Inklusion diskutiert wird, ist Inklusion auf dem Arbeitsmarkt bisher eher selten ein Thema. Wenn Medien darüber berichten, dann ist es häufig die Lokalpresse, die von ersten Positivbeispielen berichtet… Mehr
  • Blind im Internet: Kommunizieren auf Augenhöhe – Immer mehr Menschen mit einer Behinderung nutzen das Internet, um sich zu informieren und zu kommunizieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Erhebung der Aktion Mensch, die im Frühjahr dieses Jahres veröffentlicht wurde… Mehr
  • Inklusion in der Schule: Das Verschiedensein ist normal – „Wer als Kind schon früh und intensiv erlebt, wie normal das Verschiedensein ist, der wird in aller Regel auch später als Erwachsener Menschen mit Behinderung offen und ungezwungen begegnen“, sagte Bundespräsident Christian Wulff dem Tagesspiegel. Dass er recht hat, beweisen drei Kinder – Laura, Maike und Josia. Mehr

Blog über Inklusion: Für mehr Akzeptanz und Respekt

Inklusion ist ein etwas sperriger Begriff. Hinter ihm verbirgt sich aber eine Revolution im Verständnis von Behinderung. Die Aktion Mensch hat eine Kampagne gestartet, die den Begriff Inklusion konkret werden lässt. Mit Plakaten, Anzeigen und einer Website wirbt die Aktion Mensch für gesellschaftliche Teilhabe und Barrierefreiheit – und sie zeigt, dass Menschen mit Behinderung ein wichtiger und wertvoller Teil unserer Gesellschaft sind.

In dieser Woche ging das Blog zur Kampagne online. In ihm schreiben die Journalistin Anette Frisch, die Autorin Carina Kühne und ich über Inklusion. Die Idee dahinter:

Das Ziel dieses Blogs ist es, das Thema Inklusion für alle Menschen nachvollziehbar und erlebbar zu machen. Beispielsweise indem wir über aktuelle Trends berichten und über persönliche Erlebnisse erzählen, die gut oder auch schlecht sind/waren. (…) Wir möchten zeigen, dass Inklusion bereits stattfindet, dass es schon positive Beispiele gibt. Wir werden aber auch Kritik äußern, wenn es angebracht ist. Was wir damit erreichen wollen? Mehr Menschen, die sich für Inklusion einsetzen – denn mehr Akzeptanz und Respekt ist eine Sache die die ganze Gesellschaft bereichert

Mein erster Post im Blog befasst sich mit der Inklusion in der Schule. Und Sie finden ein Interview mit Verena Bentele. Wenn Sie mögen, empfehlen Sie uns gern weiter.

Umgang mit Blinden: Ratschläge via Google

Sollte man den „Umgang mit blinden Menschen“ googeln können?“, fragt Christian Ohrens in seinem Blog. Meine Antwort ist ein eindeutiges Ja!

Christian führt an, dass solche Anleitungen zu Pauschalisierungen führten und es immer blinde Menschen geben würde, auf die die gemachten Aussagen nicht zutreffen. Sein Fazit:

Es gibt keine pauschale Lösung, kein Nonplusultra, wie man mit Menschen mit Handicap allgemein umgehen soll/kann, außer vielleicht, dass man keinen Unterschied machen sollte, ob der Andere z. B. nun blind ist oder nicht.

So unterschiedlich wie Sehende

Es stimmt, dass nicht alle blinden Menschen gleich ticken. Wir sind so unterschiedlich wie sehende Menschen auch. Und das bedeutet auch, dass wir uns unterschiedliche Dinge im Umgang mit Nichtbehinderten wünschen. Die meisten von uns freuen sich, wenn ihnen Hilfe angeboten wird, einige wenige sind davon genervt. Wenn ich mich von einem Sehenden führen lasse, dann halte ich mich an seinem Ellenbogen fest, Christian tut das nicht. Die allermeisten Blinden nutzen Begriffe wie „Fernsehen“ und „Anschauen“ ganz selbstverständlich, andere – häufig frisch von einer Erblindung Betroffene – werden traurig, wenn man diese Worte in ihrer Gegenwart benutzt. Aber kann man deswegen keine Aussagen zum Thema Umgang mit Behinderten treffen?

Man sollte alles googeln können

Doch man kann. Ich denke, dass man das als Mensch mit Handicap sogar tun sollte, dass die Selbsthilfe-Organisationen es tun sollten. Wer, wenn nicht wir selbst? Zwei Gründe sprechen dafür: Erstens gibt es ein offenkundig sehr großes Interesse bei vielen sehenden Menschen an dem Thema. Das zeigen die Suchbegriffe mit denen mein Blog via Google gefunden wird, persönliche Gespräche und Anfragen, die die Blinden- und Sehbehindertenvereine erhalten. Die Fragen unserer sehenden Mitmenschen sollten bei Google nicht unbeantwortet bleiben. Ein „Das kann man so allgemein nicht sagen“ allein ist dem nach einer Antwort Suchenden und auch mir nicht genug.

Nur klare Forderungen ermöglichen Verbesserung

Zweitens implizieren Antworten zum Thema Umgang mit Behinderten auch immer Wünsche und Forderungen an die eigene Community und an die Gesellschaft. Zugespitzt könnte man sagen, dass wir im Mittelalter von sehenden Menschen erwartet haben, dass sie uns Almosen geben. Vor rund 200 Jahren verlangten wir, dass man uns das Recht auf Bildung ermöglicht. Mit der Einführung des Weißen Stockes ging die Forderun einher, dass wir mobil sein wollen und uns von der nichtbehinderten Gesellschaft wünschten, dass die Rahmenbedingungen für mehr Selbstständigkeit geschaffen werden. Heute sind wir weiter. Selbstbewusst fordern wir unser Menschenrecht auf Teilhabe ein. Unter dem Stichwort Inklusion bündelt sich das Selbstverständnis, dass wir ein vollwertiger teil der Gesellschaft sind – oder besser: sein wollen.

Utopie mit Leben füllen

Leider ist Inklusion noch lang nicht Realität. Sie ist eine Utopie, die mit Leben gefüllt werden muss. Und um sie mit Leben füllen zu können, sollten wir uns nicht scheuen, Forderungen zu formulieren, Wünsche zu äußern, gemeinsame Stellungnahmen zu entwickeln. Das gilt für den Bereich der Behindertenpolitik, für den Abbau von Barrieren, aber auch für den alltäglichen Umgang zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen.

Infos zum Umgang mit blinden und sehbehinderten Menschen gibt der Ratgeber „Nicht so – sondern so“ des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, den Sie als barrierefreies PDF herunterladen können.