Kurzweilige Langeweile

Die Buddenbrooks sind ein deutscher Mythos. Thomas Manns Familiensaga ist ja auch wirklich ein Meisterwerk. Die Verfilmung von Heinrich Breloer ist aber reichlich unspektakulär. Gelecktes und kitschiges Prunkkino, ohne Gefühl und Humor. Das kann man doch mit dem grandiosen Ironiker Mann nicht machen. Selbst der Geck und erste Ehemann von Tochter Toni, Grünlich, ist nicht witzig gespielt. Statt mit einem Schmunzeln auf die Komik in der Tragik zu blicken, dominiert betonte Ernsthaftigkeit. Untermalt wird das Stelldichein der deutschen Filmprominenz – Armin Müller-Stahl, Jessica Schwarz, August Diehl u. A. – mit beinah durchgehender Filmmusik – und selbst die ist langweilig. Das Einzige, was gelingt, ist, dass die Zeitlosigkeit des Stoffes deutlich wird: Angst vor wirtschaftlichem Abschwung, finanziellem Verlust und unerfüllte Liebe sind bis und gerade heute aktuell. John von Düffels Theater-Adaption der Buddenbrooks machte dies allerdings auch deutlich, undzwar mit sehr viel mehr Witz. Von Düffel gelang es sogar, den Mann’schen Stoff neu zu beleuchten. Davon ist bei Breloer kaum etwas zu merken, denn vor lauter Kitsch und schönen Menschen ist an Reflektieren kaum zu denken. Die zweieinhalb Stunden sind dennoch schnell herum, denn der Film ist durch und durch professionell produziert – aber leider nur das.

Wecker, Lampen, Wunderkerzen

Die Wecker klingeln. Die Taschenlampen leuchten. Die Wunderkerzen brennen. Mit Glühwein wird auf Hans Pfeiffer – mit drei f – angestoßen. Gestern war es wieder Zeit für das allvorweihnachtliche Ritual: die Feuerzangenbowle im Audimax. Ratzfatz waren die Vorstellungen auch diesmal wieder ausverkauft. Tausende Studierende und deren Anhang pilgern in die Uni. Dabei ist der Sound übersteuert. Es ist stickig. Und gestern ging sogar ein Licht nicht aus. Das macht aber nichts. Die allerallermeisten Besucher haben den Film eh schon ‚zigmal gesehen und sind wegen des Spaßes hier. Und für 3,20 Euro kann man ja auch nicht meckern. Der Film von 1944 ist wirklich immer wieder großartig: humorvoll, nostalgisch, einfach witzig. Für mich gehören Heinz Rühmann und die Feuerzangenbowle in die Weihnachtszeit. 2009 bin ich wieder dabei!

Abgründe des Bösen

Dieser Claude Chabrol. Der hat es echt drauf, die Abgründe der bürgerlichen Gesellschaft exzellent zu verfilmen. Was soll man bei diesem Wetter tun, wenn nicht einen französischen Film Noire anschauen? So legten die bezaubernde Anna und ich heute „die Blume des Bösen“ in den DVD-Player. Auch wenn ich den Film schon mehrfach gesehen – obwohl ich blind bin, sage ich nicht gehört – hatte, fand ich ihn auch heut großartig. Wie in jedem oberflächlichen Satz die gegenseitige Verachtung der Familienmitglieder mitschwingt, wie die Risse in der Fassade immer größer werden, wie die Geschichte zeitlos immer wieder zuschlägt, ist packend und dennoch ganz ruhig inszeniert. „Die Blume des Bösen“ ist vielleicht nicht der beste Chabrol, aber besser als viele andere Filme – und für einen November-Sonntag besser geeignet als ein langweiliger „Tatort“.

Blinde Gucken

Am Samstag war ich mal wieder im Kino. Wie Rheinhold Messbecher so schön sagte: „lasst uns Blinde gucken!“ „Die Stadt der Blinden“ stand auf dem Abaton-Programm. Ich war gespannt. Erstens hatte ich die deutsche Hörspielfassung (NDR 2001) dereinst erschütternd famos gefunden, und zweitens hatte kein Geringerer als Fernando merielles Regie geführt, dessen „ewigen Gärtner“ ich liebe. Gut, es waren alle wesentlichen Szenen auch im Film vorhanden. Es war dem brasilianischen Regisseur gelungen, den als unverfilmbar geltenden Roman-Stoff auf die Leinwand zu bringen. Einige Male – so habe ich mir von sehender, zuverlässiger Begleitung flüstern lassen – wurde das Thema Nicht-Sehen-Können mit filmischen Mitteln intelligent verarbeitet. Die Schauspieler – insbesondere Julianne Moore – waren gut. Aber mehr war es auch nicht. Mir war „die Stadt der Blinden“ nicht grausam genug, dem schonungslosen Stoff nicht angemessen. Wie kann man diesen Stoff mit einem leichten Soundtrack unterlegen, der eher in einen Wim-Wenders-Film gepasst hätte? Und der gleichnishafte Charakter der Vorlage kam kaum noch zur Geltung. Vielleicht ist das insgesamt schwer in einem so eindeutigen Medium wie dem Spielfilm. Die Menschen wurden blind, stolperten durch die Gegend, hilflos, verirrt, allein, isoliert. Und dabei konnten wir ihnen ein bisschen zuschauen, ein bisschen ängstlich und bewegt sein. Ob der Zuschauer mehr in diesem Streifen erkennen kann? Kann der Zuschauer erkennen, dass es Saramago um den Kampf zwischen Menschlichkeit und Egoismus in gesellschaftlichen Krisenzeiten ging? Ich bezweifle es und empfehle daher doch Hörspiel und Buch.