Podcast 112: Ein Hoch auf Louis Braille

Nicht mehr

Dein Lachen, das der Angst, der Armut, den Krankheiten die Stirne bot,
Deine Hand, die die des kleinen, später die des blinden Jungen hielt,
Deine Stimme, die dem Kind im Krankenhaus Kasperl-Geschichten vorlas,
Dein Herz, das den Kindern, den Alten, den Menschen gehörte.

Deine Freude an Katzen und Hunden, Blumen und Bäumen,
Dein Genuss von Kuchen, Kaffee und Zigaretten,
Dein Hoffen auf das Genesen und das Glück,
Deine Liebe, Fürsorge und Menschlichkeit.

Deine Wärme,
Dein Optimismus,
Deine Nähe,
Dein Sein.

All das ist nicht mehr,
nicht mehr auf dieser Welt,
nicht mehr im Dorf meiner Kindheit, nicht am Telefon,
weil du nicht mehr bei uns bist.

Aber auch die Schmerzen,
das Leiden der Seele,
die Entbehrungen
sind nicht mehr.

Du bist nicht mehr hier,
und doch ist all das geblieben:
Dein Lachen, Dein Herz, deine Freude, Deine Liebe,
Deine Wärme und Dein Sein sind geblieben.

Geblieben in unseren Erinnerungen, in unserem Tun und Fühlen,
in unserem Wünschen und Glauben.
Geblieben sind die Hoffnung auf das Wiedersehen
und der Dank für alles, liebe Mama!

Podcast 111: Vorsätze für 2020

Im Gedenken an Fräulein ReadOn

Mir ist Marie Sophie Hingst mit den Jahren ans Herz gewachsen. Ich mochte ihre melancholischen Texte in ihrem Blog, ihre Sprache, ihre Komik und ihre Menschlichkeit. Wir folgten uns auf Twitter. Sie war eine der Wenigen, die auf Twitter zuverlässig ihre Fotos mit einer Bildbeschreibung für blinde Menschen versahen. Sie hatte mich mal hierzu um Feedback gebeten. Meine Frau hatte hin und wieder Kontakt mit ihr, seit sie beim von Marie Sophie initiierten Hashtag #KunstgeschichteAlsBrotbelag mitgemacht hatte und es auch in das gleichnamige Buch geschafft hatte. Marie Sophie, das Fräulein ReadOn, fragte im Januar, ob sie jemand bei der Goldenen-Blogger-Verleihung vertreten könne. #KunstgeschichteAlsBrotbelag war als Hashtag des Jahres nominiert. Meine Frau hatte Lust, und so fuhren wir Dank Marie Sophie zur Verleihung nach Berlin. Bei unserer nächsten Dublin-Reise wollten wir drei uns auf einen Tee treffen. Hierzu wird es nicht mehr kommen. Marie Sophie wurde in dieser Woche begraben. Diese ganze traurige Geschichte, ihre schönen Texte, ihre Lügen, ihre wahrscheinlich erkrankte Seele, die Art und Weise wie herablassend manche nach ihrer Enttarnung über sie schrieben, auf Twitter oder im Spiegel, ihr wahrscheinlicher Selbstmord. Das alles beschäftigt mich, vielleicht mehr als es sollte. Aber es ist einfach so, man lernt Menschen im Internet kennen, nimmt wahrscheinlich noch viel weniger von ihnen wahr als im echten Leben, aber doch schimmern die Menschen hinter der digitalen Fassade durch. Und hinter ddem medialen Getöse um sie, hinter ihrem Lügen, hinter ihrer Literatur war Marie Sophie ein Mensch, den es jetzt nicht mehr gibt. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass sie in einer humaneren Welt noch leben würde.

Ruhe in Frieden, Fräulein ReadOn!!!