Eigentlich ist jeder blinde Mensch immer und überall PR’ler für seine Zunft. Ein Beispiel: da saß ich eben mit den alten Haudegen Rheinhold und Michi, für die meine Behinderung seit über 15 Jahren kein Thema mehr ist, im Konsum. Vollgepumpt mit Koffein und Erikas Jägerschnitzel XL, plaudern wir über pikante Dreieckskonstelationen, Weltekel in der Strunk’schen Kunst und Weinbrand als In-Getränk ’08.
Da kommt Jan in die Kneipe, mit Karnevalophoben Kölnern im Schlepptau. Ich kenne sie nicht, sie mich auch nicht. Sie ahnen nicht, dass ich blind bin, halten mir ihre Hand hin. Das sehe ich nicht – eine Situation, die ich beinah täglich erlebe. Ich halte meine Hand hin. Sie trifft nicht. Zwei Hände im Nichts, bis Christoph beherzt zupackt und sich vorstellt. Bei Maike das gleiche Spiel, nur ein weniger beherzter Händedruck.
Unsicherheit ist in solchen Momenten normal: wie gehe ich mit einem blinden Gegenüber um? Sieht er gar nichts mehr? Wieso ist er blind? Wie ist es, blind zu sein? All diese Fragen in Sekunden.
In der Regel versuche ich, die Fragen zu beantworten. Das entspannt die Situation. Nachts um Eins im Konsum ermutige ich lieber nicht, Fragen nach meiner Behinderung zu stellen. Schließlich müssen doch die pikanten Dreiecksbeziehungen vor der morgigen Party ausgelotet sein. PR für die blinde Zunft mach ich morgen wieder…