Typisch Almodóvar

Sollte sich ein blinder Mensch, einen Film anschauen, den der Tagesspiegel als „ein einziges großes visuelles Fest. Ein Rausch in Farben“ beschreibt? Ich habe es getan, weil es ein Film von Pedro Almodóvar ist – und in denen wird viel gesprochen, erklären sich die Szenen meist auch ohne die Beschreibung der Bilder. So ist es auch in „Zerrissene Umarmungen“. Im Zentrum stehen die Erinnerungen von Mateo, einem erblindeten Regisseur: Erinnerungen an Leidenschaft und Liebe.

Ich befürchtete eine eindimensionale Darstellung von Blindheit. Nach dem Motto: Der seit vierzehn Jahren blinde Regisseur schwelgt immer noch in Selbstmitleid und in der Sehnsucht nach der sehenden Vergangenheit – und eigentlich ist er eh nur als Metapher zu verstehen. Aber nein. Mateo arbeitet als Drehbuch-Schreiber, er liest die Zeitung mithilfe seines sprechenden Computers, er hat Liebschaften. Und er hat eine Vergangenheit. Und die kommt aus heiterem Himmel mit voller Wucht zurück. Mateo setzt sich mit seinen Verlusten auseinander: der Verlust der Geliebten von einst wiegt dabei schwerer als der Verlust des Sehens. „Zerrissene Umarmungen“ ist ein typischer Almodóvar: Verluste, dazu Unausgesprochenes, das endlich ausgesprochen wird. In den Filmen des Spaniers stellen sich die Menschen der schrecklichen Wahrheit. Und das ist erleichternd und menschlicher als ein Leben in Ungewissheit. Der Film mit Penélope Cruz und Lluís Homar ist in dieser Hinsicht nicht so eindrucksvoll wie zum Beispiel „Alles über meine Mutter“. Aber ein Kino-Besuch lohnt sich allemal.

Um Filme zu lieben, braucht man sie nicht zu sehen

Die Gala zum siebten deutschen Hörfilmpreis war ein voller Erfolg. Meinen Bericht über die Verleihung können Sie im Blog von Lisa-Sprachreisen lesen. Vielen Dank an die Lisa-Twitterer für die Anfrage nach dem Artikel“

Hörfilm-Gala: Die Promis kommen

Vom Frankfurter PR-Seminar geht es heute nach Berlin. In der Hauptstadt wird morgen der deutsche Hörfilmpreis verliehen. Mit dieser Auszeichnung würdigt der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband alljährlich besonders gelungene Produktionen mit Audiodeskription und Personen, die sich für das Medium Hörfilm engagieren. Der Event gehört zu den öffentlichkeitswirksamsten Terminen des Blinden- und Sehbehindertenwesens in der Bundesrepublik. Mit soviel Prominenz wie bei der Gala im historischen Atrium der Deutschen Bank haben wir Blind-PR’ler nur sehr selten zu tun. Schirmherr war in den ersten sechs Preis-Jahren Mario Adorf. Ein neuer Schirmherr wird Donnerstag von Klaus Wowereit vorgestellt. Joy Denalane wird singen, Frauke Ludowig moderieren. Als prominente Gäste haben bisher ihr Kommen bestätigt: Anna Maria Mühe, Hannelore Hoger, Clemens Schick, Boris Aljinovic, Dominic Raacke, Valerie Niehaus, Jennifer Ulrich, Kostja Ullmann, Janine Reinhardt, Otto Sander, Jaecki Schwarz, Friede Springer, Regine Sixt, Patricia Riekel sowie Regina Ziegler.

Hörfilme sind ein Stück Integration: Sie ermöglichen es blinden und sehbehinderten Menschen, Filme und Serien unabhängig und eigenständig zu verfolgen. In den Dialogpausen werden Mimik, Gestik und andere rein visuelle Fakten und Handlungen eingesprochen. Audiodeskription funktioniert also wie ein Hörspiel. Im öffentlichrechtlichen TV gibt es regelmäßig Hörfilme. Allerdings ist dies, gemessen am Gesamtprogramm, immer noch die absolute Ausnahme. Auch auf DVD erscheinen einige Filme mit Audiodeskription.

Die Nominierungen für den siebten deutschen Hörfilmpreis:

  1. „Strajk – Die Heldin von Danzig“ Eingereicht von: Arte
  2. „TRIP TO ASIA ~ Die Suche nach dem Einklang“ Eingereicht von: BOOMTOWNSOUNDS GmbH & Co KG
  3. „Kirschblüten Hanami“ Eingereicht von: Bayerischer Rundfunk
  4. „Die Welle“ Eingereicht von: HIGHLIGHT COMMUNICATIONS
  5. „Shine a Light“ Eingereicht von: KINOWELT HOME ENTERTAINMENT
  6. „Die Katze“ Eingereicht von: Norddeutscher Rundfunk
  7. Tatort „Blinder Glaube“ Eingereicht von: Rundfunk Berlin-Brandenburg
  8. „BLINDSIGHT“ Eingereicht von: Tao Cinemathek GmbH
  9. „Engelchen flieg“ Eingereicht von: Westdeutscher Rundfunk
  10. „Der Letzte macht das Licht aus“ Eingereicht von: ZDF
  11. „Novemberkind“ Eingereicht von: Südwestrundfunk
  12. Frau Hela Michalski, Hörfilmbeauftragte des Blinden- und Sehbehindertenverein Schleswig-Holstein (BSVSH) Eingereicht von: BSVSH

Wellen der Hoffnungslosigkeit

Während sich weltweit Pärchen bei Candlelight und romantischem Essen mehr oder minder verliebt in die Augen sahen, haben die bezaubernde Anna und ich am Valentinstag lieber „Breaking The Waves“ geguckt. Der Film des Dänen Lars von Trier lässt mich seitdem nicht mehr los. Immer wieder drängen sich Sequenzen und Stimmungen des Streifens in meine Gedanken und Träume – und immer sind sie düster. Der Film bedrückte mich, beengte mich, mir wurde beim Sehen schlecht, ich wollte ausmachen. Und doch haben wir weitergeschaut, gnadenlos, erschütternd. Eine naive Frau liebt ihren Mann. Sie liebt ihn gegen alle Widerstände ihrer christlich-fundamentalistischen Dorfgemeinde. Sie liebt ihn, als er durch einen Unfall vom Hals an gelähmt ist. Sie liebt ihn, als er von ihr verlangt, mit fremden Männern zu schlafen. Sie erniedrigt sich aus Liebe und bleibt doch die Erhabene, weil sie liebt. Aber man ahnt schon früh, dass ihre bedingungslose Liebe scheitern wird. Sie stirbt, von brutalen Männern getötet, von der Kirche verstoßen, von der Mutter geächtet. Ist es die Gnadenlosigkeit, die brutalität des Films, die mich so erschüttert? Ist es die Verlustangst der Protagonistin? Ist es die Enge von familie, Dorf und Doppelmoral? Ja, vielleicht. Darüber hinaus ist es aber auch ein Unbehagen gegen den Film an sich, gegen seine Hoffnungslosigkeit. Eine Ahnung von Hoffnung gibt es nur in der leidenden Hingabe und im Tod, wenn am Ende von „Breaking the Waves“ die Glocken wie aus dem Nichts überm Meer erklingen und für die Heldin läuten.

„Ich brauch doch Hoffnung“, rief vorgestern Marco, eine Figur aus „Vorstellungen“ aus, einem stück im Hamburger Schauspielhaus. Marco ist Regisseur. Er will Shakespeares Versepos „Venus und Adonis“ auf die Bühne bringen. Er schreibt den tragischen Stoff um, eben weil er die Hoffnung braucht – privat wie als Künstler.

Und genau das habe ich auch während der über zweieinhalb „Breaking The Waves“-Stunden immer wieder gedacht: „Wo bleibt denn hier die Hoffnung, der gute Mensch?“ Wenn Lars von Trier sagen wollte, dass es das gute fast nicht mehr gibt, dass es nur noch als Nadel in einem Heuhaufen des Bösen zu finden ist, dann ist ihm das sehr eindrücklich gelungen. Mut machte der Film aber nicht. Die Wellen brechen über dem Zuschauer zusammen, und der bleibt ertrunken in Hoffnungslosigkeit zurück.