Sollte sich ein blinder Mensch, einen Film anschauen, den der Tagesspiegel als „ein einziges großes visuelles Fest. Ein Rausch in Farben“ beschreibt? Ich habe es getan, weil es ein Film von Pedro Almodóvar ist – und in denen wird viel gesprochen, erklären sich die Szenen meist auch ohne die Beschreibung der Bilder. So ist es auch in „Zerrissene Umarmungen“. Im Zentrum stehen die Erinnerungen von Mateo, einem erblindeten Regisseur: Erinnerungen an Leidenschaft und Liebe.
Ich befürchtete eine eindimensionale Darstellung von Blindheit. Nach dem Motto: Der seit vierzehn Jahren blinde Regisseur schwelgt immer noch in Selbstmitleid und in der Sehnsucht nach der sehenden Vergangenheit – und eigentlich ist er eh nur als Metapher zu verstehen. Aber nein. Mateo arbeitet als Drehbuch-Schreiber, er liest die Zeitung mithilfe seines sprechenden Computers, er hat Liebschaften. Und er hat eine Vergangenheit. Und die kommt aus heiterem Himmel mit voller Wucht zurück. Mateo setzt sich mit seinen Verlusten auseinander: der Verlust der Geliebten von einst wiegt dabei schwerer als der Verlust des Sehens. „Zerrissene Umarmungen“ ist ein typischer Almodóvar: Verluste, dazu Unausgesprochenes, das endlich ausgesprochen wird. In den Filmen des Spaniers stellen sich die Menschen der schrecklichen Wahrheit. Und das ist erleichternd und menschlicher als ein Leben in Ungewissheit. Der Film mit Penélope Cruz und Lluís Homar ist in dieser Hinsicht nicht so eindrucksvoll wie zum Beispiel „Alles über meine Mutter“. Aber ein Kino-Besuch lohnt sich allemal.