Fundraising: In Deutschland noch 1.0

Selbsthilfe braucht Spenden. So ist auch der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg (BSVH) maßgeblich auf Spenden und Erbschaften angewiesen. Vom 14. bis 16. April fand in Fulda der diesjährige Fundraising-Kongress statt. Rund 700 Spendensammler aus dem deutschsprachigen Raum trafen sich zu Workshops und Seminaren und lauschten Vorträgen. Dabei standen Fragen nach Erwartungen und Wünschen (potenzieller) Spender im Focus. Weiterhin wurde diskutiert, wie Fundraising professionalisiert und optimiert werden kann.

Der Wettbewerb auf dem Spendenmarkt ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Sie kennen das aus Ihrem eigenen Briefkasten. Immer mehr Organisationen werben um Ihre Unterstützung. Neben der Großzahl seriöser Anbieter, sind es zunehmend intransparente Stiftungen und werbewirksame Medien-Aktionen, die es kleineren Vereinen schwer machen, Neuspender zu erreichen. Hinzu kommt eine Internationalisierung, so dass immer mehr Geld an Organisationen im EU-Ausland oder in den USA fließen. Somit sind die hiesigen Organisationen gezwungen, neue Wege zu gehen.

Ein neuer Weg ist sicherlich das Web 2.0. Mit eindrucksvollen Beispielen zeigte Klaus Eck in seinem Workshop über Social Media, wie erfolgreiche Kampagnen auf Twitter, Facebook und Youtube aussehen können. Dennoch scheint das Thema viele Kongress-Teilnehmer immer noch eher zu verschrecken statt zu begeistern. „Das MÜSSEN wir ja auch mal irgendwie machen“, war noch eine der euphorischeren Reaktionen. Die Skepsis gegenüber dem Mitmach-Netz zeigte sich schon daran, dass es keine Facebook- oder Twitter-Seite zum Kongress gab, von einer Twitterwall ganz zu schweigen. Für viele Fundraiser scheint das Internet immer noch vor allem ein Zeitfresser zu sein, für den keine Arbeitszeit frei ist. Das ist ein großer Fehler: die Zahl der Onliner steigt rasant, der Altersdurchschnitt im Netz steigt, das Web wird zur Informations- und Meinungsquelle Nr. 1. Hier sollten wir Öffentlichkeitsarbeiter und Fundraiser der guten Sache zukünftig verstärkt über unsere gesellschaftlich so bedeutenden Organisationen berichten, Projekte vorstellen und den Kontakt zur Öffentlichkeit halten. Tun wir das nicht, wird zum Beispiel der Blinden- und Sehbehinderten-Selbsthilfe in den nächsten Jahrzehnten die finanzielle Grundlage wegbrechen. Werden Sie dann blind oder sehbehindert, kann Ihnen kein Verein mehr mit Hilfe, Rat und Zuversicht zur Seite stehen.

Autor: Heiko Kunert

Heiko Kunert (44) ist Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg und selbst blind. Er ist Vorstandsmitglied der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen, der Stiftung Centralbibliothek für Blinde, der Norddeutschen Blindenhörbücherei und der Erich-Quenzel-Stiftung, sowie Mitglied im Verwaltungsrat der Verbraucherzentrale Hamburg. Er ist freier Journalist und engagiert sich für Inklusion und Barrierefreiheit.

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