Erstaunlich, dass ein Buch wie Dorfpunks etliche Jahre brauchte, um bis zu mir durchzudringen. Viele Freunde hatten es gelesen,
die meisten schwärmend bis nostalgisch. Andere waren enttäuscht, ob der fehlenden Sprachgewalt. Wie dem auch sei: jetzt ist Rocko
Schamoni in meinem Leben angekommen – und das in geballter Form.
Erst liest die liebste Hessin der Welt drei Rocko-Romane am Stück, Dorfpunks laut für mich am Bodensee im Gras, auf der
Blumeninsel Mainau auf einer Bank oder im Zelt liegend. Und ich verstehe, warum Schamoni und Heinz Strunk sich gefunden haben. Wie
in Strunks „Fleisch ist mein Gemüse“ watet Schamonis Humor im modrigen Uferstreifen zwischen Groteske und Grausamkeit. Beide
Autoren haben einen untrüglichen Blick für das Komische, das in der bösen und tristen Welt des Alltags schlummert. In Dorfpunks
verarbeitet Schamoni seine rebellische Landjugend in Schleswig-Holstein: mit Alkohol-Gelagen, plumper Zerstörungswut,
Gewalt-Exzessen und wohl behüteter Auflehnung gegen unerträglich wohlige Behütung. Gut, Charaktere und Szenen stehen häufig etwas
unvermittelt nebeneinander. Wie im echten Leben fehlt es so manches Mal an Stringenz. Und Schamoni ist nicht so böse und so
wortgewandt wie sein Studio-Braun-Companion Strunk. Nichtsdestotrotz: Schamonis Erinnerungen und Geschichten sind liebevolle
Abrechnungen mit der eigenen Jugend, mit jugendlicher Rebellion allgemein, so dass ich die Fortsetzung der Privatlesung kaum
erwarten kann.
Und wie es der Zufall so will, hatte Tante Trevor Theater-Karten für das Schauspielhaus. Gegeben wurde die Inszenierung von
Dorfpunks. Und was die drei Studio-Braun-Jungs (neben Schamoni und Strunk gehört der brutal-rauhe Jacques Palminger zum Trio) da
auf die Bühne gebracht haben, das war famos, grandios, surreal. Der Originaltext war nur in vielleicht drei, vier Szenen erkennbar,
die Handlung war beinah brechtesk gebrochen. Und – nicht gerade zuletzt – es war ein faszinierend bitterer, mystischer und
humorvoller Abend.
Nicht so bitter, dafür einfach mal schön war schließlich Teil 3 meiner Themenwoche Dorfpunks. Vor gut einer Woche quälten wir
uns vom Golden-Pudel-Club, durch den Schlagermove in einen Bus Richtung Ostsee. Es ging nach Behrendsdorf zu den
Pudelseefestspielen. Das Prinzip war denkbar einfach und daher so genial: man nehme die Crème de la Crème der Pudel-DJ’s und
-Musiker, stelle sie zusammen mit Studio Braun auf eine Bühne in ein Festzelt auf einer Wiese hinterm Deich, serviere dazu
Fleischmassen vom Highland-Rind und hektoliterweise Festzelt-Plörre-Pils und habe einen feinen Tag am Meer. Zwischendurch gingen
wir frohgemut an den Strand und in das Meer (leider nur mit den Füßen, ärgerlicherweise hatte keiner von uns ein Handtuch,
geschweige denn Badeklamotten dabei). Die Sonne schien, die Beats trieben, der gnadenlose Studio-braun-Humor drosch geballt auf das
Publikum ein, Heinz Strunk groovte mit seinem Sax und seiner Flöte wie ein junger Gott. Die Sonne schien, die Schafe blökten, so
(ent)spannend kann das Leben sein, wenn Widersprüche für einen Tag aufgehoben werden.
Links zum Thema
Rockos Homepage: http://www.rockoschamoni.de/
Rocko im Interview mit der FAZ: ht
tp://www.faz.net/s/Rub4521147CD87A4D9390DA8578416FA2EC/Doc~E9EC4814E3BDA4A7BB6A324F8B1181627~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Alles zum Buch Dorfpunks: http://www.single-generation.de/pop/rocko_schamoni.htm
Golden Pudel Club: http://www.pudel.com
Eindrücke von den Pudelseefestspielen: http://weltdeswissens.wordpress.com/2008/07/06/pudelseefe
stspiele/
Lieber Heiko,
schön, dass Sie auch Freund des Pudels und von Studio Braun geworden sind! Falls Sie auch gern Musik hören, empfehle ich die letzte Platte von Rocko Schamoni „Leben“ und alles von Jacques Palminger. Von dem gibt es zwar keine CDs, aber bei Youtube einige Lieder.
Ich wünsche viel Vergnügen!
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hach…war echt ein netter nachmittag/abend…
und ich stand beim bierstand neben heinzer!
@ nette hessin: kannst du mir die fotos aus dem meer schicken? 🙂
@ netter hamburger: danke für die links!
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