Man kann gegen den Wahlkampf sagen, was man will. Er hat einen entscheidenden Vorteil: Es ist selten so leicht, mit führenden Politikern ins Gespräch zu kommen wie vor einer Wahl. Der Elternverein „Leben mit Behinderung Hamburg“ hat es geschafft, Birgit Schnieber-Jastram (CDU), Dora Heyenn (die Linke), Michael Naumann (SPD), Christa Goetsch (GAL) und gestern schließlich Hinnerk Fock (FDP in den Südring 36 einzuladen. Ich immer mittenmang.
250.000 behinderte Menschen leben in Hamburg. Ihre Anliegen spielen im Wahlkampf kaum eine Rolle. Politikern geht es letztlich wie den meisten anderen nichtbehinderten Menschen: Sie sind es nicht gewohnt, sprachbehinderte Redner zu verstehen, sie haben noch nie einen Rollstuhlfahrer aus dem Sitz gehoben, sie haben noch keinen bettlegrigen Menschen gepflegt, und sie sind es nicht gewohnt, auf blinde Menschen, die ihren Blick nicht erwidern, zuzugehen. Dafür sind Veraanstaltungen wie die vor der Wahl so wichtig: Zeigen, dass es dieses Hamburg auch gibt, Zeigen, dass wir da sind und Interessen haben, die wir offensiv vertreten.
Die SPD möchte die Blindengeld-Kürzung zurücknehmen, die GAL möchte integrative oder – wie sie sagt – inklusive Schulen, die CDU möchte das Landesgleichstellungsgesetz mit Leben füllen, die FDP möchte durch mehr Wirtschaftsaufschwung Behinderte in Lohn und Brot bringen, die Linken wollen Unternehmen verpflichten, behinderte Arbeitnehmer einzustellen. Das alles ist richtig und wichtig, doch noch wichtiger ist wohl der direkte Kontakt, das persönliche Gespräch. Häufig sind es nämlich ganz kleine Dinge, die den Alltag z. B. blinder Menschen enorm erleichtern: eine neue Signalampel, damit man wieder sicher zum Tante-Emma-Laden gehen kann, eine zusätzliche Lautsprecherdurchsage bei der U-Bahn, die verhindert, dass man in die falsche Richtung fährt usw. Solche Themen haben im Wahlkampf keinen Platz. Und ich kann nicht erwarten, dass sie in den Köpfen von Behördenvertretern oder Politikern allgegenwärtig sind. Darum werde ich auch nach der Bürgerschaftswahl am 24. Februar mit meinem Blindenstock an die Türen der Entscheider klopfen.