Social Media und Selbsthilfe (1): Authentizität als Chance

Am 4. Juli 2013 fand in Düsseldorf das Forum Verbandskommunikation mit dem Themenschwerpunkt Social Media statt. Ich war als Referent eingeladen. „Social Media und Selbsthilfe: Zwischen Authentizität und kleinem Budget“ hieß mein kurzer Vortrag, auf dessen Grundlage ich hier im Blog eine kleine Serie starte. Ich freue mich auf Ihre Kommentare.

Es gibt so Tage, an denen ärgere ich mich über aufgedrängtes Mitleid. Ich werde im Alltag häufig gefragt, ob ich Hilfe brauche, beim Einsteigen in die U-Bahn, beim Überqueren einer Straße usw. Auf mir vertrauten Wegen brauche ich diese Hilfe in der Regel nicht. Ich habe in einem Orientierungs- und Mobilitätstraining gelernt, wie ich mich mit meinem weißen Blindenstock und meinem Gehör orientieren kann. Das können sich die meisten sehenden Menschen verständlicherweise nicht vorstellen.

Daher antworte ich immer freundlich „nein, danke. Das geht so“ o.Ä. Leider gibt es immer wieder Menschen, die mir das nicht glauben und dann trotzdem meinen Arm greifen, mich zur U-Bahn-Tür schieben. Das kann auch mal nerven. Auch Mitleidsbekundungen wie „Sie Armer. So ein junger Mann… Wie schrecklich…“ wollen wir Menschen mit Behinderung nicht ständig hören.

Nach einer solchen alltäglichen Begebenheit habe ich mir in meinem Blog einmal Luft gemacht: „Umgang mit behinderten Menschen: Euer Mitleid kotzt mich an“ heißt der Post aus dem Jahr 2010. Sie werden vielleicht sagen, das ist nicht sehr wohl formuliert, vielleicht zu provokativ. Dennoch brachte der Artikel auf den Punkt, was sehr viele Menschen mit Behinderung alltäglich erleben und was sie fühlen. Das zeigten auch die durchweg positiven Kommentare der Betroffenen. Allerdings gab es auch viele kritische Kommentare von nichtbehinderten Menschen, die sich angegriffen fühlten. Auf jeden Fall war dies der meistdiskutierte Artikel in meinem Blog – bis heute mit 289 Kommentaren.

Der Artikel wurde u.A. im BILDblog verlinkt, war Platz 1 in den deutschsprachigen WordPress.com-Charts, erschien inzwischen in einem Schulbuch und ist bis heute der am häufigsten aufgerufene Artikel in meinem Blog. Insbesondere über den Suchbegriff „Umgang mit Behinderten“ landen viele Menschen via Google bei diesem Artikel.

Mit einer authentischen Alltagserfahrung konnten viele Menschen erreicht werden, die ansonsten mit den Themen Blindheit/Sehbehinderung keine Berührungspunkte hatten.

Im nächsten Teil dieser kleinen Serie geht es um das Besetzen von Nischen im Web.

Autor: Heiko Kunert

Heiko Kunert (44) ist Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg und selbst blind. Er ist Vorstandsmitglied der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen, der Stiftung Centralbibliothek für Blinde, der Norddeutschen Blindenhörbücherei und der Erich-Quenzel-Stiftung, sowie Mitglied im Verwaltungsrat der Verbraucherzentrale Hamburg. Er ist freier Journalist und engagiert sich für Inklusion und Barrierefreiheit.

3 Kommentare zu „Social Media und Selbsthilfe (1): Authentizität als Chance“

  1. Im Sinne der hier postulierten Authentizitäts-Forderung müssten wir wohl alle öfter in die Tasten greifen, um so den sozialen Netzwerken und den Suchmaschinen Nahrung zu geben.

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