Mit der Bahn unterwegs

Wie fahren blinde Menschen mit der Bahn? Was wünschen sie sich dabei vom Service-Personal? Diese Fragen beantwortete ich in der vergangenen Woche bei einer Mitarbeiter-Schulung der DB-AG.

Meist komme ich mit der U2 am Hauptbahnhof Nord an, um meine Reise zu starten. Vor über zehn Jahren hatte ich dort Orientierungs- und Mobilitätstraining. Ich nehme immer die selben Treppen-Aufgänge. Bin ich in der Wandelhalle angekommen, suche ich die Rillenplatten im Boden. Mein Blindenstock gleitet hin und her, bis er in meiner Hand zittert und ein ratschendes Geräusch mir sagt, dass ich das Orientierungssystem für blinde Menschen gefunden habe. Ich folge den Platten, die sich deutlich vom sonst glatten Bahnhofsboden abgrenzen. Ärgerlich ist nur, wenn die Auslegeware eines Geschäfts, ein Bistro-Tischchen oder der große Koffer eines Reisenden den Weg über den Orientierungsstreifen verwehrt. Große, quadratische Rillenplatten signalisieren eine Abzweigung hin zu den Gleisen. Zur Kontrolle gleitet meine Hand an das metallene Treppengeländer. Dort steht in Blindenschrift, welche Gleise am Ende der Treppe liegen. Auf dem Bahnsteig bin ich auf verständliche und rechtzeitige Lautsprecher-Durchsagen angewiesen. Schließlich will ich in den richtigen Zug steigen.

Steige ich in eine Regionalbahn nach Cuxhaven, weiß ich nicht, ob ich in die zweite oder in die erste Klasse steige oder gar ins Fahrrad-Abteil. Ich weiß auch nicht immer, wie die Abteile gestaltet sind, da sich die Züge von Generation zu Generation unterscheiden. Gut, dass ich meist andere Fahrgäste fragen kann. Das muss ich erstrecht, wenn ich mit dem ICE zu meinen Schulungen nach Frankfurt fahre. Dann habe ich eine Platzreservierung, aber keine Ahnung, wo der Platz im Großraumwagen ist. Steuere ich einen Bahnhof zum ersten Mal an, weiß ich nicht, wie ich zum Umsteigegleis komme oder zum Taxistand. Für solche Situationen gibt es eine servicenummer der Bahn, über die man Begleitung bestellen kann. Meine Erfahrung mit dem Personal von Bahnhofsmission oder Servicekräften der Bahnhöfe ist positiv. Und ich hoffe, dass sie für andere sehbehinderte Reisende noch positiver werden. Genau deshalb war ich in der letzten Woche bei der Mitarbeiterschulung der Bahn.

Autor: Heiko Kunert

Heiko Kunert (44) ist Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg und selbst blind. Er ist Vorstandsmitglied der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen, der Stiftung Centralbibliothek für Blinde, der Norddeutschen Blindenhörbücherei und der Erich-Quenzel-Stiftung, sowie Mitglied im Verwaltungsrat der Verbraucherzentrale Hamburg. Er ist freier Journalist und engagiert sich für Inklusion und Barrierefreiheit.

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