Krankenbericht: Die Blase ist weg

Nun ist sie weg. Heute vor vier Wochen wurde meine Blase entfernt. Über sechs Stunden dauerte diese komplexe Operation. Danach plangemäß drei Tage Intensivstation. Drei Tage vor der Operation und fünf Tage danach gab es keine Feste Nahrung. Ich habe nicht unerheblich abgenommen. Anschließend gab’s zunächst nur Zwieback und Joghurt, danach Suppen, dann einige Tage lang nur püriertes Essen (selbst Fleisch oder Fisch waren püriert), und seit zwei Wochen genieße ich wieder festes Essen, wenngleich ich mich noch mehrere Monate vor zu schwerer Kost hüten soll.

Die Tage im Krankenhaus waren nicht ohne. Schmerzen hatte ich zwar kaum, nicht zuletzt weil ich mir jederzeit selbst Schmerzmittel per Knopfdruck direkt über einen Wirbelsäulen-Katheter zuführen konnte. Dennoch war die Phase mit Katheter im Rücken, Venenzugang im Hals und mehreren Schläuchen und Schienen im Bauch emotional ziemlich belastend.

Körperlich habe ich den Eingriff gut überstanden, so dass ich bereits 15 Tage danach wieder nach Hause konnte. Allein die innere Wundheilung dauert aber gut zwei Monate. Daher bin ich immer noch ziemlich geschwächt. Täglich erhöhe ich die Bewegungsdosis an der frischen Luft. Mit einigen Bankpausen habe ich es inzwischen durch den Stadtpark geschafft (Fußweg rund 45 Minuten) – danach war ich aber auch reif fürs Bett. Mir tut es auch gut, mal ein bisschen zu schreiben, mich am Rechner abzulenken, aber nach eineinhalb Stunden brauche ich auch erst einmal eine längere Pause.

Die Seele braucht deutlich länger als der Körper, befürchte ich. Zumal ja nicht nur der Verlust eines Organs und damit verbunden ein veränderter Alltag, eine neue Körperwahrnehmung verarbeitet werden müssen. Es geht ja leider noch weiter. So soll in zwei Wochen eine sechswöchige Bestrahlungsphase beginnen. Wenngleich Proben keinen Krebs im angrenzenden Gewebe und den Lymphen beinhaltet haben, so sei eine Bestrahlung dennoch geboten, um mögliche noch vorhandene Krebszellen zu vernichten. Und auch das Thema Chemotherapie ist noch nicht vom Tisch. Die Ärzte des Marienkrankenhauses raten mir nicht zwingend zu ihr, da insbesondere die Nebenwirkungen bei dieser Art der Chemotherapie nicht ohne seien. Sie sagen aber auch, dass das Risiko einer erneuten Erkrankung durch die Chemo um weitere 6% minimiert würde und ich letztlich entscheiden müsste, wie hoch mein Sicherheitsbedürfnis sei. Keine ganz leichte Entscheidung. Daher bin ich derzeit dabei, mir eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen.

Auch wenn – oder besser: weil – derzeit alles recht schwierig ist, habe ich mich sehr über den enormen Zuspruch der letzten Wochen gefreut. Zu nennen sind Hunderte ermutigende Kommentare auf Facebook, Twitter und hier im Blog, per E-Mail, Telefon, Post oder Krankenhausbesuch. Und wer sich da nicht alles gemeldet hat: alte Freunde, die ich seit zwei Jahren nicht gesehen hatte, standen plötzlich an meinem Krankenbett, Familienangehörige kamen nach Hamburg, Freunde, Bekannte und Menschen, die ich nur über das Web kenne haben mir ermutigende Kommentare geschickt, Sozialpolitikerinnen und Pressesprecher schrieben mir Genesungsbriefe, Mitglieder und Mitarbeiter des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg und der Aktion Mensch schickten mir Post und Mails… Jeder einzelne Wunsch, jeder einzelne Gruß tat unglaublich gut, gab mir und gibt mir Kraft. Ihnen und Euch ganz herzlichen Dank dafür!

Und ein ganz besonderer, ein ganz, ganz großer Dank gilt der bezaubernden Anna, die mir jeden Tag im Krankenhaus beigestanden hat, die meine Wut, meine Angst und meine Trauer erdulden musste und derzeit fast im Alleingang unseren Alltag managt, die aber selbst kurz nach der OP schon mit mir im Krankenhaus rumgeblödelt hat und nun bereits wieder mit mir in der Sonne lacht. Schön, dass es Dich gibt!

Nach 30 Jahren: Der Krebs ist zurück

Und plötzlich schlägt das Schicksal zu. Ziemlich genau 30 Jahre nachdem mein zweites Auge entfernt wurde, also ziemlich genau 30 Jahre nachdem hierdurch mein Augentumor entfernt wurde, ist der Krebs zurück. Diesmal in der Blase.

Anfang dieses Monats erhielt ich die Diagnose, eine seltene Form eines bösartigen Blasentumors. Stellten die Ärzte zunächst in Aussicht, dass ein Teil der Blase erhalten werden könnte, raten die Onkologen inzwischen aber eindringlich davon ab – zu gefährlich.

Und somit stehe ich vor einem erneuten großen Wandel in meinem Leben. In der kommenden Woche, am Mittwoch, verliere ich also meine Blase. Und dann Chemotherapie, vielleicht auch Bestrahlung. Das hängt von den Gewebe-Proben ab, die bei der Operation entnommen werden.

Das Leben kann sich so schnell ändern. Ich jedenfalls werde einige Wochen ins Krankenhaus gehen. Drücken Sie mir die Daumen, wenn Sie mögen, beten Sie für mich, dass alles den Umständen entsprechend gut verläuft, und ich bald wieder auf dem Damm bin. Und genießen Sie das Glück des Alltags!

Apropos, Glück: Gerade in so schwierigen Zeiten ist es ein großes Glück, Menschen an seiner Seite zu wissen, die man liebt und die einen lieben. Die bezaubernde Anna und ich haben uns am Montag verlobt – eine Motivation mehr, möglichst schnell wieder gesund zu werden.

Wir lesen uns hoffentlich schon bald wieder. Bleiben Sie mir treu.

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