Blindengeld: Antwort auf einen NDR-Kommentar

Es gibt manchmal Kommentare in den Medien, die kann ich nur als zynisch bezeichnen. Konkret hat mich ein Kommentar des NDR zu den Sparplänen in Schleswig-Holstein dazu bewogen folgende Mail an die Redakteurin Dagmar Pepping zu verschicken:

Sehr geehrte Frau Pepping,

ich nehme Bezug auf Ihren Kommentar zu den Sparplänen in Schleswig-Holstein . Sie begrüßen hierin u.A. die drastische Kürzung des Blindengeldes. Ich selbst bin blind.

Sie schreiben u.A., dass Schleswig-Holstein über seine Verhältnisse gelebt habe. Das trifft beim Blindengeld definitiv nicht zu. Im Gegenteil: der dringend benötigte Nachteilsausgleich fällt mit 400€ bereits jetzt deutlich niedriger aus als der im Sozialgesetzbuch definierte Mehrbedarf von rund 600€. Das Blindengeld wurde bereits mehrfach gekürzt.

Ihrer Bewertung der Sparpläne liegt zugrunde, dass Sie sagen, dass alle Bürger betroffen seien. Ich bezweifle aber, dass dies gleichermaßen für alle Betroffenen gilt. Während z. B. die Landespolitiker mit dem späteren Pensionsalter und geringeren Diäten sicherlich auch weiterhin ein menschenwürdiges Leben führen können, wirkt sich eine Halbierung des Blindengeldes in Sachen Selbstständigkeit der blinden Menschen deutlich negativer aus. Ganz praktisch bedeutet das, dass man sich weniger oder keine Blindenschriftbücher mehr kaufen kann (sie kosten rund das Zehnfache von Schwarzschriftbüchern), man nicht mehr das Theater oder Konzerte besucht, weil man sich keine Begleitperson mehr leisten kann, aus demselben Grund nicht mehr verreist. Man kann nicht länger selbstständig zum Arzt, zu Behörden oder zu Freunden fahren, weil man sich kein Taxi mehr leisten kann.

Über 40 Prozent der blinden Menschen sind 80 Jahre und älter. Die allermeisten von ihnen sind erst im hohen Alter erblindet. Für sie ist der Verlust des Augenlichts eine persönliche und seelische Krise. Das Blindengeld kann ein bisschen dazu beitragen, aus dieser Krise herauszukommen. So können die Betroffenen z. B. davon sprechende Uhren oder Küchenwaagen usw. kaufen. und somit einen Teil ihres bisherigen Lebens eigenständig fortführen.

Ich wünsche mir, dass Sie und NDR Info diese konkreten Auswirkungen der Sparpolitik ebenfalls thematisieren. Gern stehe ich Ihnen hier in meiner Funktion als zuständiger Mitarbeiter für die Pressearbeit beim Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg mit Infos zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,

Heiko Kunert

Keine Almosen

Über Geld spricht und schreibt man nicht. Gerade nicht, wenn man für einen Blinden- und Sehbehindertenverein arbeitet. „Mir ist das peinlich“, höre ich von blinden menschen. Oder: „Ich will nicht betteln.“ Verständlich ist dieser Impuls. Schließlich waren behinderte Menschen über Jahrtausende Almosen-Empfänger. Und erst mit der Epoche der Aufklärung, der Industrialisierung und des technischen Fortschritts konnte der Kampf um gesellschaftliche Teilhabe beginnen. Dennoch: blinde und sehbehinderte Menschen brauchen auch heute Hilfe, Hilfe, die Geld kostet.

Im Hamburger Louis-Braille-Center beraten unsere Mitarbeiterinnen zu allen Alltagssorgen und Rechtsfragen, die sehbehinderten Menschen auf den Nägeln brennen. Die größte Hilfsmittelausstellung im Norden ermöglicht Betroffenen, sich neutral und unabhängig zu informieren. Eine Orthoptistin erprobt vergrößernde Sehhilfen mit Besuchern, die frisch an Makula-Degeneration, grünem Star oder einer Anderen Augen-Erkrankung leiden. All diese Angebote kosten Geld. Das Geld dafür bekommen wir nicht vom Staat. Allerdings sind wir als gemeinnützig anerkannt und daher steuerlich befreit.

Am vergangenen Samstag kamen unsere Mitglieder zur alljährlichen Generalversammlung zusammen. Themen waren u. A. der Finanzbericht für 2008 und der Haushaltsplan für das laufende Jahr. Und da zeigte es sich erneut: Unsere wichtigsten Einnahmequellen sind Spenden und Erbschaften. Ohne sie könnten wir unser umfangreiches Angebot nicht aufrecht erhalten. Ohne Spenden und Erbschaften könnten wir keine Freizeit-Angebote für mehrfachbehinderte Kinder – sie haben neben ihrer Erblindung noch eine Geistes- oder Körperbehinderung – und deren Eltern anbieten. Wir könnten keine Besuche zuhaus ermöglichen, bei denen mit sehbehinderten und blinden Menschen eingekauft, ein Arztbesuch erledigt, die Post vorgelesen oder einfach mal spazieren gegangen wird. Ohne Spenden und Erbschaften könnten wir keine begleiteten Ausflüge ins Museum oder an die Ostsee anbieten. Senioren-Nachmittage zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch fielen weg.

Darüber muss man sprechen und schreiben. Es geht nicht anders, wenn man unser hilfreiches und ermutigendes Angebot aufrecht erhalten und weiter entwickeln möchte. Wir blinden und sehbehinderten Menschen wollen keine Almosen, aber wir freuen uns über Geld, das uns ein selbstbestimmtes Leben in dieser Gesellschaft ermöglicht.

Online können Sie hier helfen. Spenden-Konto: Bank für Sozialwirtschaft, Konto-Nr.: 785 850 0000, BLZ: 370 205 00. Mehr Infos zum Thema finden Sie auf der BSVH-Homepage.

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