Das war jetzt das vierte Weihnachtsfest, seitdem Ines Kilias erblindete. Bei einem Auftritt des Chores des Reichenbacher Gymnasiums am 9. Dezember 2006 im Zwickauer Dom verlor das Mädchen binnen weniger Stunden das Augenlicht. Erst glaubten alle an einen entzündeten Sehnerv. Doch als keine Besserung eintrat, stellten die Ärzte psychogene Blindheit fest. Weil ihre Psyche oder irgendein anderer unbekannter Vorgang im Gehirn sie hindert, kann sie nur noch zwischen hell und dunkel unterscheiden. Doch die junge Reichenbacherin gab nicht auf, 2009 machte sie ihr Abitur. Das Goethe-Gymnasium Reichenbach ließ sich auf das Experiment ein. Ihr Abschluss mit einem Durchschnitt von 1,8 ließ aufhorchen und freute Ines Kilias außerordentlich. Nicht fassen konnte sie indes Reaktionen aus dem Sozialamt des Vogtlandkreises. „Da gibt es offenbar Menschen, die meinen, wenn man ein so gutes Abi hinlegt, könne die Behinderung so schwer nicht sein“, sagt sie.
In der Reichenbacher Zeitung (Freie Presse) schildert Gerd Betka den Fall in der Ausgabe vom 28. Dezember 2009. Betka beschreibt weiter, dass die Behörden Ines einen Schwerbehindertenausweis verweigern. Grund: Ihre seltene Krankheit führe lediglich zu einem Grad der Schwerbehinderung von 30%. Einen Schwerbehindertenausweis gebe es aber erst ab 50%. Jetzt entscheiden die Gerichte. Immer wieder sind Menschen, die unter Sehverlust leiden in Deutschland gezwungen gegen unflexible Behörden und Krankenkassen rechtlich vorzugehen. Dabei haben viele von ihnen genug damit zu tun, ihren persönlichen Alltag zu meistern.
Sina Ruthe ist 23 und vor sieben Jahren durch einen Tumor erblindet. Ihren Weg in ein neues Leben beschreibt Tobias Schneider am 30. Dezember 2009 in der Lippischen Landes-Zeitung:
„Nach der Operation war sehr viel Frust in mir, denn mein altes Leben gab es plötzlich nicht mehr.“ Sina verlässt ihre alte Schule und absolviert ein professionelles Mobilitätstraining in Lage und Marburg. Dabei lernt sie zum Beispiel, wie man sich am besten in Räumen bewegt oder wie man einen Blindenstock benutzt. Zudem macht sie sich mit der Punktschrift vertraut. (…) Ihr Schicksal hat Sina mittlerweile, so gut es geht, akzeptiert: „Es war ein mühsamer Prozess, der noch immer nicht ganz abgeschlossen ist“, räumt sie ein. „Doch ich bin jetzt ein gutes Stück in mir selbst angekommen.“
Oft ist es nicht die Behinderung selbst, die Betroffene behindert, sondern es ist die Umwelt. Vor allem sind es Vorurteile der Mitmenschen. Das erlebten auch Silja und Guido Korn, sie blind, er sehend. Heute hat das Paar einen 18jährigen Sohn. AP-Redakteurin Alexandra Barone schildert die Erinnerungen des glücklichen Ehepaares in der Epochtimes vom 5. Januar 2010:
„Wenige haben Verständnis dafür und für Viele ist das überhaupt nicht vorstellbar, sie verstehen es einfach nicht. Meine Familie war gegen unsere Beziehung. Sie sagten: ‚Die ist doch blind‘, und ich soll mir überlegen, was ich da mache und was alles auf mich zukommt.“ Nicht nur in der eigenen Familie ist Guido Korn auf Unverständnis gestoßen. Die Gesellschaft hat ihn sogar als „Freak“ betrachtet, weil er sich in eine behinderte Frau verliebt hat. Seine Frau Silja hatte mit anderen Problemen zu kämpfen. Wegen schlechter Erfahrungen wollte sie sich zunächst gar nicht auf eine Beziehung einlassen. „Viele Männer sagten einfach: ‚Es ist nett, sich mit Dir zu unterhalten, Du bist ganz hübsch, aber mehr wollen wir nicht.‘ Und andere sagten: ‚Ich möchte gerne nur ausprobieren, wie es sexuell mit Dir ist, denn Blinde haben ein viel feineres Gefühl als Sehende’“, erklärt Silja. Bei ihren ersten Treffen war sie daher noch misstrauisch – doch schnell merkte sie, dass Guido wirklich an ihr interessiert war, nicht an ihrer Behinderung.
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