Blindengeld: Schluss mit der Abwärtsspirale

Die Blindengeld-Sau wird mal wieder durch ein Dorf gejagt, diesmal durchs schleswig-holsteinische. Dort erwägt die schwarz-gelbe Landesregierung eine Kürzung. Und wie bereits in Mecklenburg-Vorpommern wird argumentiert, dass es andere Bundesländer gebe, in denen die Leistung niedriger ausfalle. Wann werden die Meinungsmacher in diesem Land endlich verstehen, dass man mit dieser Logik den Nachteilsausgleich auf null Euro drücken kann? Irgendwo ist er immer niedriger. Diese Abwärtsspirale muss endlich durchbrochen werden. Der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg hatte sich bei der letzten Bürgerschaftswahl vor zwei Jahren für eine Erhöhung des Blindengeldes in der Hansestadt stark gemacht. Und immerhin ist die Leistung seitdem um ca. 15 Euro monatlich gestiegen. Das war ein kleiner Erfolg, der aber durch skrupellose, kurzsichtige Politiker in Hamburgs nördlichem Nachbarland torpediert wird.

Blindengeld ist eine Leistung, die Menschen bekommen, die dem Gesetz nach blind sind: Sie sehen auf dem besseren Auge weniger als zwei prozent. Mit dem Geld sollen Betroffene in die Lage versetzt werden, einige Nachteile auszugleichen. Die Gesellschaft ist voller Barrieren. Um ein einigermaßen selbstständiges und integriertes Leben führen zu können, legt das Sozialgesetzbuch XII in §72 einen finanziellen Mehrbedarf von 608,96 Euro fest. Dennoch zahlt Hamburg derzeit nur 463,92 Euro, Schleswig-Holstein 400 und Niedersachsen sogar nur 265 Euro an blinde Menschen im Monat.

Das hört sich vielleicht immer noch viel an. Ist es aber bei genauerem Hinsehen nicht. Wofür nutzen blinde Menschen wie ich das Geld?

Begleitpersonen: Leider ist unsere Gesellschaft nicht so organisiert, dass wir überall allein, selbstständig und unbeschwert unterwegs sein können. Theater- und Konzert-Besuche sind für viele Betroffene nur in Begleitung möglich. Ein paar Tage Urlaub kosten gleich das Doppelte, wenn man eine (fremde) Begleitung mitnehmen muss. Die meisten blinden Menschen sind im Senioren-Alter. Sie sind relativ neu mit der Situation konfrontiert. Sie haben keine oder wenige Angehörige. Sie wünschen sich Unterstützung im Haushalt, bei Einkäufen, für einen Spaziergang. Diese Menschen brauchen Blindengeld, um ihre Assistenten zu bezahlen.

Taxi-Fahrten: Stellen Sie sich vor, sie könnten keine Straßenschilder und Bus- und Bahn-Anzeigen mehr lesen. Sie wüssten nicht, ob Sie sich gerad an einer Kreuzung mit oder ohne Ampel befinden. Fremde Wege sind für die meisten blinden Menschen nicht machbar. Muss ich zu einem Facharzt, bei dem ich noch nie war, oder zu einem Amt, dann brauche ich ein Taxi.

Blindenschrift: Braille-Bücher sind teuer und brauchen viel Platz. „Der Herr der Ringe“ kostet zum Beispiel 307 Euro und umfasst 15 Punktschrift-Bände – jeder Band ist ca. 35 x 30 x 7 cm groß. Vom Blindengeld kann ich mir Bücher – die Auswahl ist sehr klein – leisten. Hinzu kommen Zeitschriften in Braille. Lesen zu können, das ist einge Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, für Bildung, berufliche Chancen. Jede Blindengeld-Kürzung verringert die ohnehin zu geringen Chancen vieler blinder Menschen in Deutschland.

Hilfsmittel: Es gibt viele Produkte, die blinden Menschen den Alltag erleichtern. Das Spektrum ist weit und reicht von Markierungspunkten, um das Waschmaschinen-Programm selbst einstellen zu können (ca. 7 Euro), bis zu sprechenden Computern mit einer Braillezeile (bis 10.000 Euro). Was jeder Einzelne braucht, weiß der Betroffene selbst am besten.

Das war die große Errungenschaft des Blindengeldes: Blinde Menschen konnten mit dem Geld einige Barrieren überwinden, an der Gesellschaft teilhaben und es für die individuellen Bedürfnisse verwenden. Politiker, die das Blindengeld infragestellen, stellen das gesellschaftliche Miteinander von blinden und sehenden Menschen infrage.

Mini-CeBit 2009: die Highlights

Die Mini-CeBit 2009 geht ihrem ende entgegen. Über 20 Hilfsmittel-Aussteller stellten an zwei Tagen elektronische Produkte vor, die sehbehinderten und blinden Menschen den Alltag erleichtern. Alle wissenswerten Infos zur Messe im Louis-Braille-Center bietet – manchmal ist die Medien-Landschaft erstaunlich – der österreichische Standard auf seiner Homepage.

Das spricht für sich selbst

Am Samstag, 15. November 2008, bietet die Messe „Trends und Technik für Zuhause“ Hilfsmittel. Zwischen 10 und 17 Uhr können sich die Hamburgerinnen und Hamburger im Louis-Braille-Center, im Holsteinischen Kamp 26, informieren. Über 20 Aussteller aus ganz Deutschland präsentieren Hilfsmittel für Haushalt, Hobby, Gesundheit und Freizeit. Das Besondere: alle Produkte sind für blinde und sehbehinderte Menschen geeignet.

Die Produkte sprechen häufig für sich selbst. Ein Beispiel: Gaudio-Braille präsentiert einen sprechenden Ipod. Eine gut verständliche Stimme liest Menüs und Titel-Infos vor und macht somit Blinden und Sehbehinderten den Gebrauch möglich. Der sprechende Ipod steht für den Gedanken, den alle Aussteller am Samstag teilen. Alle Produkte ermöglichen es Menschen, deren Augenlicht nachlässt, wieder am Leben teilzunehmen, selbstständig und zuversichtlich.

„Trends und Technik für Zuhause“ wendet sich nicht nur an blinde und sehbehinderte Menschen, sondern gerade auch an deren Angehörige. Es besteht am Samstag die Möglichkeit, vor Ort einzukaufen. So können z. B. Weihnachtsgeschenke für die Eltern oder Großeltern, die an Makula-Degeneration oder Grünem Star erkrankt sind, gekauft werden. vielleicht ist ja die geeignete sprechende Uhr, ein sprechendes Blutzucker-Messgerät oder ein sehbehindertengerechtes Brettspiel für Sie dabei. Vorbeischauen kostet nichts, kann Ihren Angehörigen aber helfen.

Radiosendung 121

Einmal im Monat sitze ich im Radiostudio des Louis-Braille-Centers. Der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg produziert Sendungen für das Hamburger Lokalradio. Eine Sendung ist der BSVH-Treff. Am kommenden Sonntag läuft die 121. Ausgabe. Im Gespräch mit Moderator Ralf Bergner werde ich auf den erfolgreichen Infotag „Durchblick“ zurückschauen. Ich werde auf die Produktschau „Trends und Technik für Zuhause“ hinweisen, die am 15. November in Hamburg stattfinden wird. Auf dieser Messe für sehbehinderte und blinde Menschen können Hilfsmittel für Hobby, Haushalt, Freizeit und Gesundheit ertastet, erlauscht und betrachtet – und gleich gekauft werden (Weihnachten steht vor der Tür). Und schließlich werde ich im nächsten BSVH-Treff berichten, dass blinde Menschen unter der Hamburger Telefonnummer 19449 Fahrplan-Aushänge in Blindenschrift bestellen können. Der Hamburger Verkehrsverbund bietet diesen Service zusammen mit unserem Verein an. Im dezember wird auf den Winterfahrplan umgestellt. Damit auch blinde Menschen wissen, wann Bus, S- oder U-Bahn vor der Haustür abfahren, gibt es die Aushänge kostenlos in Braille. Weitere Themen am Sonntag um 17.00 Uhr: ein ausführlicher Bericht von der Messe „Durchblick“, das Berufsbildungswerk in Hamburg Eidelstedt, Eisenbahnnostalgie in Oberbayern, eine Reportage aus Dietrichshagen in Mecklenburg-Vorpommern, die Führhundhaltergruppe des BSVH, Elke Fiebiger im Porträt und der Veranstaltungskalender. Die bunte Sendung für blinde, sehbehinderte und nichtbehinderte Hörer läuft jeden ersten Sonntag im Monat um 17:00 (Wiederholung am Sonntag darauf um 7:00 Uhr) auf UKW 96,0, im Hamburger Kabel auf 95,45 und als Podcast unter www.bsvh-treff.org. Übrigens feierten Bergner und sein Team von ehrenamtlichen Radio-Begeisterten im Oktober Zehnjähriges. Herzlichen Glückwunsch!