Fragwürdiges Happy End: Blindheit in Literatur und TV

Die Darstellung von Blindheit in Literatur, TV und medialer Berichterstattung bewegt sich zwischen Mitleid und Bewunderung. Und sie ist immer noch nicht frei von Stereotypen. Da sind die „Superblinden“, die auf keinerlei Hilfe angewiesen sind, deren verbleibende Sinne extrem geschärft sind, die überaus musikalisch und frei von jeder Oberflächlichkeit sind. Und auf der anderen Seite gibt es die hilflosen Blinden, die keinen Schritt allein gehen können, die ein Leben in absoluter Dunkelheit führen, die traurig und wütend sind und sich nach ihrem Sehen sehnen.

Oft wird die mit Blindheit verbundene Ausgangslage in Filmen, Serien und Büchern in einem Happy End aufgelöst. Ulrike Backofen vom Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg hat 266 Romane und Kurzgeschichten und 433 Spielfilme und Serien, in denen blinde Figuren auftauchen, systematisch nach Happy Ends durchforstet. Ihr spannendes Ergebnis können Sie in dem Artikel „Zwischen Mitleid und Happy End: Blindheit in Literatur und TV“ nachlesen, den Ulrike Backofen und ich verfasst haben. Der Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift „Horus“ (Heft 2/2013), die vom Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf und der Deutschen Blindenstudienanstalt herausgegeben wird.

DVBS-Selbsthilfetage: Inklusion, Android, Vorstandswahlen

Vom 17. bis 19. Mai 2012 fanden in Marburg die Selbsthilfetage des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) statt. Im Zwei-Jahres-Rhythmus treffen sich Mitglieder der Selbsthilfe-Organisation in der Lahn-Stadt. Das Themen-Spektrum reichte diesmal von der Inklusion bis zur Zugänglichkeit von Android-Handys – und ein neuer Vereinsvorstand wurde auch noch gewählt.

Selbsthilfe und Inklusion

Ein engagiertes und humorvolles Plädoyer für mehr Inklusion hielt Aktion-Mensch-Vorstand Martin Georgi. Menschen mit und ohne Behinderung würden von einer inklusiven Gesellschaft profitieren. Die große Herausforderung für eine Organisation wie Aktion Mensch sei es, den Begriff Inklusion für Jedermann verständlich zu machen. Viele Menschen hielten die Vision einer inklusiven Gesellschaft für nicht realisierbar. Georgi verwies dagegen auf die Emanzipation der Frauen. Heute ist es für uns normal, dass Frauen die Fächer studieren können, die sie wollen, und einem Beruf nachgehen. Bis vor wenigen Jahrzehnten war das noch eine Ausnahme. So könne sich auch das Verständnis von Behinderung ändern. Dafür brauche es aber einen langen Atem.

Die UN-Behindertenrechtskonvention habe in Deutschland schon einiges verändert, so Georgi. Allerdings dürften wir nicht darauf warten, dass der Gesetzgeber die Inklusion einfach umsetze. Im Gegenteil: Der nationale Aktionsplan der Bundesregierung sei eine Enttäuschung gewesen. Inklusion koste auch Geld. Die Mittel hierfür müssten erstritten werden. So hätten am 5. Mai – dem Aktionstag für Gleichstellung und gegen Diskriminierung behinderter Menschen – über 600 Veranstaltungen für mehr Barrierefreiheit in Deutschland stattgefunden, unterstützt von der Aktion Mensch.

Für mich hat Georgis Vortrag noch einmal deutlich gemacht, dass Inklusion nicht nur ein Umdenken bei der nichtbehinderten Mehrheit verlangt, sondern auch bei uns Menschen mit Behinderung. Georgi forderte, dass sich Förderschulen für nichtbehinderte Schüler öffnen sollten. Und er verwies darauf, dass die Aktion Mensch im Rahmen ihrer Inklusionskampagne ausschließlich Projekte fördert, die Menschen mit und ohne Behinderung zusammenbringen. Dieser Ansatz bedeutet, dass sich auch Selbsthilfe-Organisationen wie die Blinden- und Sehbehindertenvereine stärker als bisher öffnen müssen, dass sie ihren Teil zu einer inklusiven Gesellschaft, zu mehr Miteinander statt Nebeneinander beitragen können – und müssen, wenn sie zukunftsfähig sein wollen.

Android und Barrierefreiheit

Nachdem Apples iPhone schon seit einigen Jahren für blinde und sehbehinderte Menschen zugänglich ist, werden auch Smartphones mit dem Betriebssystem Android zunehmend barrierefrei. Damit steigt auch das Interesse an diesem Thema. „Aktueller Stand der Zugänglichkeit mobiler Endgeräte mit Android Betriebssystem“ hieß ein Vortrag von Willi Lutzenberger von der Firma ProTak. Ab Android-Version 4 ist nun auch ein Screenreader mit Sprachausgabe standardmäßig Bestandteil der Software. Der Vortrag machte deutlich, dass dies ein großer Schritt zu mehr Barrierefreiheit bedeutet, dass die Bedienbarkeit aber noch nicht so ausgereift ist wie bei Apples VoiceOver. Dafür hat der Android-Nutzer mehr Möglichkeiten der Anpassung, so hat er die Wahl zwischen unterschiedlichen Screenreadern und unterschiedlichen Stimmen. Außerdem können sehbehinderte Nutzer Sprachausgabe und Vergrößerung gleichzeitig nutzen, was Apple nicht bietet. Mehr Infos zum Thema Android und Accessibility gibt es von Oliver Nadig im TuKSuB-Podcast: Teil 1, „Einrichtung des Telefons“ und Teil 2, „Grundlegende Einstellungen“.

Wahl-Ergebnisse

Der DVBS-Vorstand ist weiblicher geworden. Der Hamburger Karsten Warnke war nicht erneut angetreten – er hatte dem fünfköpfigen Vorstand zwölf Jahre angehört. Neu im Team als Beisitzerin ist Ursula Weber aus Dresden. Als 1. Vorsitzender wiedergewählt wurde Uwe Boysen (Bremen), zweiter Vorsitzender (und damit Nachfolger von Karsten Warnke) ist Heinz Willi Bach aus Marburg. Als weitere Beisitzer bestätigt wurden Andrea Katemann (Marburg) und Uwe Bruchmüller (Möser).

Auch im Leitungsteam der DVBS-Fachgruppe Medien, dem ich die letzten vier Jahre angehörte, gab es Veränderungen. Mein Nachfolger als Gruppenleiter wurde der Kelkheimer Stefan Müller. Ich selbst hatte aus beruflichen Gründen auf eine erneute Kandidatur verzichtet.

Demonstration in Kiel: Über 3000 Menschen gegen Blindengeld-Kürzung

Über 3000 Menschen demonstrierten am Samstag in Kiel gegen die geplante Halbierung des Landesblindengeldes. Ich erlebte eine kämpferische Demonstration, Wut gegen Schleswig-Holsteins unsoziale Politik und Angst vor Ausgrenzung infolge der schwarz-gelben Kürzungen. Inka Senkbeil fasst in der aktuellen Ausgabe von DBSV-Direkt alle Infos rund um den Protest zusammen:

seit Monaten zeigt der Blinden- und Sehbehindertenverein Schleswig-Holstein (BSVSH) Flagge, veranstaltet Mahnwachen, sucht das Gespräch mit den Regierungsverantwortlichen und wirbt hartnäckig für den Erhalt des Landesblindengeldes in der bisherigen Höhe. Am vergangenen Sonnabend erreichte der Blindengeldkampf nun in Kiel seinen Höhepunkt. Lautstark machten blinde und sehbehinderte Menschen aus ganz Deutschland beim Demonstrationszug und der Kundgebung auf dem Rathausplatz ihrer Enttäuschung und Empörung Luft, protestierten gegen die drastischen Pläne zur Halbierung des Blindengeldes von bisher 400 auf 200 Euro.

Rund 3.000 betroffene Menschen, Freunde und Unterstützer trotzten dem eisigen Herbstwind und der politischen Kälte an der Kieler Förde. Die DBSV-Familie zeigte wie bei vorangegangenen Blindengeldkämpfen in Bremen, Hannover, Erfurt oder Schwerin Stärke und Zusammenhalt, hatte Mitglieder aller DBSV-Landesvereine für den gemeinsamen Kampf im Norden mobilisiert. Ausgestattet mit gelb-schwarzen Schals, Kappen, T-Shirts, Transparenten und tausenden klappernder Langstöcke, machten sie auf dem Weg vom Hauptbahnhof bis zum Rathausplatz darauf aufmerksam, wie unverzichtbar der Nachteilsausgleich für sie ist: „Hände weg vom Blindengeld“, „Wer Blinde quält, wird abgewählt“, „Die Hälfte weg, das ist fatal, ungerecht und unsozial“ oder „FDP und CDU, lasst das Blindengeld in Ruh“ – kreative Parolen, unterstützt von Rasseln, Pfeifen, Trommeln und Vuvuzelas, begleiteten den Zug der Blindengeldkämpfer.

Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und Sozialminister Dr. Heiner Garg (FDP) scheuten die Begegnung mit den Betroffenen in Kiel. BSVSH-Vorsitzende Annegret Walter, die den Auftakt der Kundgebung gestaltete, richtete dennoch klare Worte an die beiden wichtigsten Verantwortungsträger der Kürzungspläne. „Wir waren in den letzten Jahren gesprächsbereit und fair, haben einigen Kürzungen zugestimmt, aber was in diesem Jahr mit uns gemacht wird, wollen wir nicht mehr hinnehmen. Denn Kürzungen um fünfzig Prozent – das bedeutet Ausgrenzung und Einsamkeit.“ Blinde und sehbehinderte Menschen seien nicht, wie behauptet, partnerschaftlich in Planungen und Gespräche einbezogen worden. Stattdessen habe man schnellstmöglich unsoziale Fakten schaffen wollen.

DBSV-Präsidentin Renate Reymann erinnerte die Regierenden eindringlich an ihre Aufgabe: „Es muss endlich Schluss damit sein, dass blinde Menschen durch Deutschland ziehen, um die Landesregierungen an ihre soziale Verantwortung zu erinnern. Die Politik soll Armut bekämpfen, statt mit Kürzungsplänen blinde Menschen in die Armutsfalle zu treiben.“ Uwe Boysen, der Vorsitzende des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS), forderte die Politiker sogar zum Rückzug auf: „Projekte wie die HSH-Nordbank werden für unverzichtbar erklärt, Steuersenkungen propagiert, aber behinderte Menschen getrost um die Hälfte ihres Nachteilsausgleichs gebracht. Wer dieses Sparkonzept für alternativlos hält, der hat es nicht verdient ein Land zu regieren und sollte besser heute als morgen seine Sachen aus dem Landeshaus abholen.“

Der BSVSH hatte starke Bündnispartner an seiner Seite. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPVW) und der Sozialverband Deutschland (SoVD) bekundeten ihre Solidarität und verwiesen auf eigene, sozialere Alternativvorschläge zu den Haushaltskürzungen, die bisher offenbar ungelesen in den Schubladen der Regierung verschwunden seien. „Soziale Gerechtigkeit ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens“, waren sich Sven Picker (SoVD) und Günter Ernst-Basten (DPWV) einig.

Auch die Oppositionsparteien im Kieler Landtag waren vertreten. Dr. Ralf Stegener, Fraktionsvorsitzender der SPD, Flemming Meyer, sozialpolitischer Sprecher des Südschleswigschen Wählerverbandes, sowie Uli Schippels, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, erteilten den Kürzungsplänen geschlossen eine Absage. „Es ist schäbig, am Sonntag von Barrierefreiheit und Inklusion zu reden, um dann in der Woche die Mittel dafür wegzustreichen“, kritisierte Stegener. Klarer Konsens aller Oppositionsparteien: Für die Wirtschaftskrise sollen die zahlen, die sie verursacht haben. Banker belohnen und Blinde bestrafen, ist unsozial und ungerecht. DBSV-Präsidentin Renate Reymann freute sich über den Schulterschluss der Politik, merkte jedoch kritisch an: „Leider haben wir die bittere Erfahrung gemacht, dass Parteien in der Opposition und im Wahlkampf unsere Forderungen unterstützten. In der Regierungsverantwortung sieht das dann oft anders aus.“ Sie lud die Anwesenden jedoch herzlich ein, möglichst bald den Gegenbeweis anzutreten. „Wer Blinde quält, wird abgewählt“ – das sollte Wählern und Politikern bis zur kommenden Landtagswahl 2012 im Gedächtnis bleiben.

Mit dem Behindertenbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Ulrich Hase, bekannte sich außerdem ein fast tauber und damit selbst behinderter Politiker zum Blindengeld: „Solange wir kein Teilhabegeld auf Bundesebene für alle Menschen mit Behinderung haben, solange steht für mich das Blindengeld als eine letzte Bastion, für die es lohnt zu kämpfen.“ Ein bundesweit einheitliches Blinden- bzw. Teilhabegeld erklärte auch Renate Reymann zum langfristigen Ziel. Das Verteilen von Almosen nach Gutsherrenart müsse dringend aufhören.

Nun steht im Blindengeldkampf in Schleswig-Holstein der Endspurt an: Bereits am Mittwoch, dem 20. Oktober, ist die nächste Mahnwache geplant. Bei der CDU-Regionalkonferenz in Lübeck will man Bundeskanzlerin Angela Merkel einen wirkungsvollen Empfang bereiten. Auch die Unterschriftenliste des BSVSH unter dem Motto „Hände weg vom Blindengeld“ mit bislang über 33.000 Unterschriften soll bis zum 1. November noch kräftig gefüllt werden. „Ob unsere Anstrengungen reichen, um den Beschluss des Sparpakets zu kippen, wissen wir nicht. Sicher ist jedoch: Wir lassen uns nicht klein kriegen und kämpfen weiter“, stellte Annegret Walter fest. Gewissheit gibt es voraussichtlich im November, wenn das Gesetz endgültig zur Abstimmung im Landtag steht.

Akustische Eindrücke von der Veranstaltung in Kiel hören Sie in der Dezember-Ausgabe von DBSV-Inform sowie am kommenden Samstag, 23.10., ab 16.05 Uhr in der Sendung „Schwerpunkte“ des Ohrfunks, zu empfangen unter www.ohrfunk.de

Mehr Informationen zu weiteren Aktionen sowie den Unterschriftenlisten des BSVSH bei Michael Meier, Tel.: 04 51 / 40 85 08-14, E-Mail: meier@bsvsh.org, www.bsvsh.org

Nachtrag: Einen NDR-TV-Beitrag von der Demonstration können Sie hier sehen.

Blind im Medien-Job

Blinde Menschen in Medien-Berufen. Zu diesem Thema hat mich in der vergangenen Woche eine Journalistik-Studentin der Uni Hamburg interviewt. Für eine Recherche-Übung porträtiert Laura Schneider einen blinden Studenten der Medienwissenschaft. Als PR’ler und als Medien-Konsument wünsch ich mir, dass Journalisten immer soviel Freiheit und Zeit für die Artikel-Recherche hätten wie der Berufsnachwuchs an den Unis. Laura Schneider war perfekt auf das sehr spezielle Thema vorbereitet, hatte diverse Vorabmails an die Experten geschickt und war sehr interessiert. Auf mich war sie durch meine Mitarbeit im Leitungsteam der Fachgruppe Medien des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) aufmerksam geworden.

Einige von Schneiders Fragen und meine Antworten dazu:

1. Wieviele blinde Menschen studieren bzw. arbeiten in den Medien in Deutschland?

 

Hierzu gibt es kein belastbares Zahlenmaterial. In der Fachgruppe Medien des DVBS sind rund 100 blinde und sehbehinderte Medienschaffende zusammengeschlossen. Das Spektrum reicht von wissenschaftlichen Dokumentaren, über Rundfunk-Journalisten bis zu PR-Profis. Einige arbeiten hauptberuflich in diesen Bereichen, andere machen z. b. eine ehrenamtliche Radiosendung im Offenen Kanal oder im Internet. Insgesamt dürfte die Zahl aber gering sein. Das liegt daran, dass die meisten blinden Menschen erst im Alter ihr Augenlicht verloren haben und die Chancen sehbehinderter Menschen in den Medien – wie in allen Berufszweigen – sehr schlecht sind. Schätzungen zufolge sind überhaupt nur knapp 30 Prozent der Blinden im berufsfähigen Alter in einem regulären Arbeitsverhältnis.

2. Bieten alle Universitäten Deutschlands, wo man „etwas mit Medien“ studieren kann, das Studium auch für Blinde an?

Wenn man es als Blinder geschafft hat, an einer Förderschule oder integriert an einer Regelschule sein Abitur zu machen, dann kann man in Deutschland formal alles studieren. Härtefall-Regelungen setzen dabei sogar den Numerus Clausus außer Kraft. Speziell für Blinde wird kein studiengang angeboten. Überhaupt ist die Begleitung der behinderten Studenten von Uni zu Uni sehr unterschiedlich. An der einen Hochschule gibt es ein spezielles Förderzentrum, an anderen Bibliotheksräume mit blindengerechten PC’s, an anderen Unis nichts dergleichen. In der Praxis gibt es aber Studiengänge, die besser geeignet sind als andere. So ist sicherlich ein Studium mit dem Schwerpunkt visuelle Medien eher suboptimal, während viele blinde Menschen gerade beim Radio-Journalismus ihre sehenden Kommilitonen in die Tasche stecken könnten.

 

3. Gibt es häufig Beschwerden von Blinden bezüglich der Schwierigkeit, an Bildung oder Arbeit zu gelangen? Wie schätzen Sie die vom Staat zur Verfügung gestellten Möglichkeiten ein?

 

Immer wieder gibt es Probleme. Fachliteratur gibt es nicht in Brailleschrift. Wissenschaftliche Texte müssen aufwändig eingescannt oder aufgelesen werden. Wenn sehbehinderte Studies dann an einen nichtkooperativen oder planlosen Professor geraten, haben sie einen für die Seminarstunde relevanten Text nicht rechtzeitig lesen können. Oder das ergänzende Folienmaterial wird nicht zur nachträglichen Bearbeitung freigegeben. Das sind aber Ausnahmen. Von den rechtlichen Rahmen-Bedingungen und vom Alltag an den meisten Unis her kann man als blinder Mensch in Deutschland erfolgreich studieren. Die Probleme beginnen meist erst bei der Jobsuche und im Berufsleben. Infolge der Hartz-Reformen wurde die Arbeitsplatzvermittlung auch für behinderte Menschen weitgehend regionalisiert. Überforderte Agentur-Mitarbeiter sollen plötzlich blinde Akademiker in einen Medienjob bringen und scheitern dabei immer wieder. Hier muss dringend eine bundesweite, zentrale und kompetente Jobvermittlung für behinderte Studierte her. Vorurteile, Unwissenheit und Ängste bei vielen Arbeitgebern machen es uns enorm schwer, überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Dabei gibt es die Möglichkeit, bis zu 70% der Lohnkosten vom Staat tragen zu lassen. Hilfsmittel-Ausstattungen – wie Braillezeilen und sprechende PC’s – werden ebenfalls von der Arbeitsagentur übernommen. Problematischer ist da schon, dass in vielen Unternehmen regelmäßig neue Software installiert wird, neue Datenbanken erstellt werden usw. Und das häufig, ohne zu überprüfen, ob die blindenspezifischen Hilfsmittel damit funktionieren.

4. Kennen Sie bestimmte Arbeitgeber im Medienbereich, die ihre betrieblichen Strukturen so anpassen, dass blinde Menschen beschäftigt werden können?

Das Vorzeigeunternehmen schlechthin gibt es nicht. Was man sicher sagen kann, ist, dass es eher noch die öffentlichrechtlichen Anstalten sind, die sich an die Behindertenquote von fünf prozent halten. Ich selbst kenne wissenschaftliche Dokumentare, die in Rundfunkarchiven arbeiten oder blinde Nachrichtensprecher. Auch in der schreibenden Zunft gibt es den einen oder anderen blinden Journalisten. Ich kann nur jedem Unternehmer empfehlen, sich an einen Blinden- und Sehbehindertenverein wie dem BSVH zu wenden, wenn Fragen rund um die Integration von Mitarbeitern auftauchen.

5. Wo sehen sie Vor- bzw. Nachteile von blinden Menschen im Medienbereich (Studium und Beruf)?

Die Nachteile liegen vor allem im alltäglichen Umgang, in unausgesprochenen Vorurteilen und Berührungsängsten auf beiden Seiten. Das ist kein Spezifikum der Medienbranche, sondern ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem. Die Nachteilsausgleiche, die blinde Menschen an Unis eingeräumt werden (verlängerte Abgabefristen für Abschlussarbeiten, mehr Zeit für Klausuren usw.) sind keine Vorteile, sondern nötige Nachteilsausgleiche. Journalistische Arbeit bedeutet Zuhören, Verstehen, Nachfragen. Viele blinde Menschen sind Profis darin, Infos und Zwischentöne aus dem gesprochenen Wort herauszufiltern. Sie sind gewiss ebenbürtige Journalisten. Und – wie gesagt – Radio ist das Leitmedium für viele blinde Menschen. Nicht selten sind Amateur-Shows blinder Journalisten mit einer höheren Professionalität produziert als manch eine Massenware der sehenden Radioprofis. Da stimmt oft jeder Anschluss, Musik und gesprochenes Wort harmonieren, Jingles werden rhythmisch perfekt eingesetzt. Leider sind das Fähigkeiten, die immer weniger in den hochcomputerisierten Radiostudios benötigt werden.

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