Mal schnell zu Manu

Das passiert einem nicht in jeder Stadt: „Habt Ihr Lust aufs Lovebox-Festival zu gehen?“, fragte Lisa uns. Ein Blick auf das Samstags-Lineup genügte. „klar“, sagten wir. Und da sahen wir u. A. Groove Armada und Manu Chao, einfach mal so, spontan, unter freiem Sonnenhimmel, im Victoria Park, in London.

Da wir im März so viele weitere Ideen hatten, was wir alles in der englischen Hauptstadt erleben wollten, hatten Rheinhold Messbecher und ich schon damals beschlossen, im Sommer noch einmal wiederzukommen. Die wundervollste Hessin der Welt schloss sich an, und so liegen hinter uns vier faszinierende Tage, die eine Erlebnis- und Eindrucksdichte aufweisen, wie sie vielleicht nur London erzeugen kann, diese pulsierende, vielfältige, multikulturelle Metropole. Pulsierend, vielfältig und multikulti war es dann auch auf dem Lovebox-Festival. Elektrobeats hämmerten, Reggae-Sounds wogten, Klänge einer schüchternen Folk-Gitarre schwebten über die grüne Wiese, über zehntausende Musikfreunde, über Londons Osten. Die Groove Armada zog alle Dancefloor-Register, straight und doch verspielt trieben die Rhythmen direkt bis ins Tanzbein, der Gesang changierte zwischen Hiphop, Soul und Drachenboot, so modern und sphärisch, so kreativ und simpel ist elektronic Dance viel zu selten. Und als Headliner Manu Chao: genial, euphorisierend, einfach Party. Schon häufiger wollte ich ihn und seine Band sehen, bisher hatte ich ihn immer verpasst, oder die Konzerte waren ratzfatz ausverkauft. Und ganz zufällig spielte er an diesem Wochenende in London – welch ein Glück! Seinen größten Hit – „King of the Bongo“ – spielte Manu Chao nicht. Wahrscheinlich kann er selbst ihn nicht mehr ertragen. Ich hätte mich allerdings gefreut. Das war aber auch der einzige Wermutstropfen. Ansonsten gab es über eineinhalb Stunden energiegeladene Musik zum Mitsingen und Abtanzen. Die Mischung aus latein-amerikanischer Folklore, sentimentalen Balladen, schwingendem Reggae, politischem Protest-Song und druckvollem Ska und Punk ist einzigartig. Einzigartig ist vor allem, dass sich die verschiedenen Facetten nicht nur von Stück zu Stück ändern, sondern innerhalb jedes Liedes die Stile bunt durcheinandergewürfelt werden. In einem Moment lagen sich die Pärchen verliebt in den Armen, ein Break weiter kreisten die Körper smooth umher, und noch einen Break weiter sprangen sie pogomäßig auf und ab. Schon für diesen Samstag-Abend hätte sich eine Reise nach London gelohnt, aber es sollten uns noch drei weitere Tage in dieser überraschenden Stadt vergönnt sein. Lesen Sie schon bald mehr über Sushi, Perücken und Schmuck aus Augen…

Das Lovebox-Festival: http://www.lovebox.net

Groove Armada: http://www.groovearmada.com/

Manu Chao: http://www.manuchao.net/

PR-Geschichte: ein paar Schlagworte

Wieder einmal bin ich zum Seminar in Frankfurt. Ein Thema: die Geschichte der Public Relations. Und die Geschichte ist spannend.

Um 1900 gab es in den USA massive Arbeitskämpfe. Die Journalisten haben zu der Zeit heftig Stellung gegen die Unternehmensfürsten

eingenommen. Das konnte ein Rockefeller nicht auf sich sitzen lassen. Er holte sich journalistische Verstärkung, um sein Image

aufzumöbeln. Das war die Geburtsstunde der PR, wenn sie auch noch nicht so hieß. Edward L. Bernays, ein Neffe Sigmund Freuds,

brachte die angewandte Psychoanalyse in die PR ein. Präsident Wilson konnte Bernays für sich gewinnen und setzte 1914 das Comitee

for Public Informations ein, das den Eintritt in den Krieg, der drei Jahre später erfolgte, emotional vorbereiten sollte. Ende 1916

gründete die Katholische Kirche in New York ein Publicity-Büro, geleitet von J.P. Kennedy, dem Vater von John F. Kennedy. Nach dem

Kriegsende 1918 waren die PR-Experten ohne Beschäftigung. Die Folge war ein PR-Boom. 1923 hielt Bernays die erste PR-Vorlesung an

einer Uni und veröffentlichte das erste PR-Buch. In den 30ern brachte der spätere PR-Papst Hundhausen den Begriff nach Deutschland.

Der Begriff war aber unter den Nazis unerwünscht. Die PR-Philosophie war allerdings auch in Deutschland längst nicht unbekannt. So

gab es schon um 1900 Presse-Offiziere bei der Marine. Odol-Gründer Lindner hatte sich für Zahnpflege an Schulen stark gemacht und

so Kunden für die Zukunft gewonnen. Die IG Farben hatte 1925 bereits eine Pressestelle. Im Dritten Reich herrschte ein PR-mäßiger

Black Out, stattdessen gab es Propaganda und Zensur. Pr – eingedeutscht Öffentlichkeitsarbeit – entwickelte sich in der jungen

Bundesrepublik. So gründete der Industrie- und Handelskammertag 1950 eine Pressestelle. Der BDI und der BDA zogen nach. 1958

gründeten 17 PR’ler die Deutsche Public-Relations-Gesellschaft. Im selben Jahr fand der erste PR-Weltkongress in Brüssel statt.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war PR ein fester Bestandteil der westlichen Medien-Welt.

Themenwoche Dorfpunks

Erstaunlich, dass ein Buch wie Dorfpunks etliche Jahre brauchte, um bis zu mir durchzudringen. Viele Freunde hatten es gelesen,

die meisten schwärmend bis nostalgisch. Andere waren enttäuscht, ob der fehlenden Sprachgewalt. Wie dem auch sei: jetzt ist Rocko

Schamoni in meinem Leben angekommen – und das in geballter Form.

Erst liest die liebste Hessin der Welt drei Rocko-Romane am Stück, Dorfpunks laut für mich am Bodensee im Gras, auf der

Blumeninsel Mainau auf einer Bank oder im Zelt liegend. Und ich verstehe, warum Schamoni und Heinz Strunk sich gefunden haben. Wie

in Strunks „Fleisch ist mein Gemüse“ watet Schamonis Humor im modrigen Uferstreifen zwischen Groteske und Grausamkeit. Beide

Autoren haben einen untrüglichen Blick für das Komische, das in der bösen und tristen Welt des Alltags schlummert. In Dorfpunks

verarbeitet Schamoni seine rebellische Landjugend in Schleswig-Holstein: mit Alkohol-Gelagen, plumper Zerstörungswut,

Gewalt-Exzessen und wohl behüteter Auflehnung gegen unerträglich wohlige Behütung. Gut, Charaktere und Szenen stehen häufig etwas

unvermittelt nebeneinander. Wie im echten Leben fehlt es so manches Mal an Stringenz. Und Schamoni ist nicht so böse und so

wortgewandt wie sein Studio-Braun-Companion Strunk. Nichtsdestotrotz: Schamonis Erinnerungen und Geschichten sind liebevolle

Abrechnungen mit der eigenen Jugend, mit jugendlicher Rebellion allgemein, so dass ich die Fortsetzung der Privatlesung kaum

erwarten kann.

Und wie es der Zufall so will, hatte Tante Trevor Theater-Karten für das Schauspielhaus. Gegeben wurde die Inszenierung von

Dorfpunks. Und was die drei Studio-Braun-Jungs (neben Schamoni und Strunk gehört der brutal-rauhe Jacques Palminger zum Trio) da

auf die Bühne gebracht haben, das war famos, grandios, surreal. Der Originaltext war nur in vielleicht drei, vier Szenen erkennbar,

die Handlung war beinah brechtesk gebrochen. Und – nicht gerade zuletzt – es war ein faszinierend bitterer, mystischer und

humorvoller Abend.

Nicht so bitter, dafür einfach mal schön war schließlich Teil 3 meiner Themenwoche Dorfpunks. Vor gut einer Woche quälten wir

uns vom Golden-Pudel-Club, durch den Schlagermove in einen Bus Richtung Ostsee. Es ging nach Behrendsdorf zu den

Pudelseefestspielen. Das Prinzip war denkbar einfach und daher so genial: man nehme die Crème de la Crème der Pudel-DJ’s und

-Musiker, stelle sie zusammen mit Studio Braun auf eine Bühne in ein Festzelt auf einer Wiese hinterm Deich, serviere dazu

Fleischmassen vom Highland-Rind und hektoliterweise Festzelt-Plörre-Pils und habe einen feinen Tag am Meer. Zwischendurch gingen

wir frohgemut an den Strand und in das Meer (leider nur mit den Füßen, ärgerlicherweise hatte keiner von uns ein Handtuch,

geschweige denn Badeklamotten dabei). Die Sonne schien, die Beats trieben, der gnadenlose Studio-braun-Humor drosch geballt auf das

Publikum ein, Heinz Strunk groovte mit seinem Sax und seiner Flöte wie ein junger Gott. Die Sonne schien, die Schafe blökten, so

(ent)spannend kann das Leben sein, wenn Widersprüche für einen Tag aufgehoben werden.

Links zum Thema

Rockos Homepage: http://www.rockoschamoni.de/

Rocko im Interview mit der FAZ: ht

tp://www.faz.net/s/Rub4521147CD87A4D9390DA8578416FA2EC/Doc~E9EC4814E3BDA4A7BB6A324F8B1181627~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Alles zum Buch Dorfpunks: http://www.single-generation.de/pop/rocko_schamoni.htm

Golden Pudel Club: http://www.pudel.com

Eindrücke von den Pudelseefestspielen: http://weltdeswissens.wordpress.com/2008/07/06/pudelseefe

stspiele/

Spaß beim Shoppen

Und es klappt wirklich. In Begleitung eines Kollegen von NDR 90,3 habe ich in der vergangenen Woche den Begleitservice der

Galeria Kaufhof getestet. Kaufhof ist der bisher einzige Einzelhändler, der bundesweit in allen Filialen eine Begleitung für

sehbehinderte und blinde Kunden anbietet. In der Hoffnung, dass andere Ketten diesem Beispiel folgen, haben die deutschen Blinden-

und Sehbehindertenvereine am 6. Juni (Sehbehindertentag) auf das Kaufhof-Angebot aufmerksam gemacht. Aber funktioniert das

wirklich?

Vorab rief ich in der Filiale in der Mönckebergstraße an und machte einen Termin ab. Ich könne morgen um halb Vier. „Kein

Problem. Notiere ich“, sagte die freundliche Dame am Telefon. „Kommen Sie bitte zum Personaleingang, oder rufen Sie an, wenn Sie am

Kaufhof sind. Eine Mitarbeiterin nimmt Sie dann in Empfang.“ Und wirklich kam eine Verkäuferin zu mir, stellte sich vor und fragte,

ob sie mich führen solle. „Gern“, antwortete ich und hielt mich an ihrem Ellbogen fest. „Was möchten Sie denn kaufen?“

„Lebensmittel, bitte.“ Zielstrebig ging sie mit mir auf die Rolltreppe zu: „Wir gehen jetzt nach links. Jetzt beginnt die

Rolltreppe.“ Ich merkte ihr nicht an, dass ich ihr erster blinde Kunde war. Routiniert und freundlich zeigte sie mir die

verschiedenen Tomaten. Ich entschied mich für die, die am würzigsten rochen. „Das sind auch die besten“, sagte meine verkäuferin

lachend. Die Nektarinen ertastete ich, um möglichst weiche zu kaufen. Am Wurst-Tresen las sie mir die verschiedenen Salami-Sorten

vor. Und ich probierte die scharfen Salamis. „Und welche finden Sie am besten? ich mag die Spanische gern.“ Die Italienische war

nach meinem Geschmack. An der Kasse legte sie meinen Einkauf auf das Laufband. Sie packte alles ein und brachte mich zum

gewünschten Ausgang. „Vielen Dank Herr kunert. Kommen Sie gern mal wieder“, sagte sie zum Abschied. Und noch: „Es hat mir Spaß

gemacht.“ Mir auch.

Kaufhof im Web: http://www.galeria-kaufhof.de

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